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Auch bei Sozialbetrug haben Lügen kurze Beine

Dienstag, Januar 13th, 2009

Es ist eher ein Einzelfall. Ein Hartz-IV-Empfänger aus dem Landkreis hatte bereits bei seiner Antragstellung ganz bewusst die Nebentätigkeit seiner Frau verschwiegen. Später wurde aus dieser Nebentätigkeit eine Vollzeitbeschäftigung. Auch das meldete der Mann nicht beim Landsberger Jobcenter. Der Sozialbetrug flog beim Datenabgleich mit dem Rentenversicherungsträger auf. Über zwei Jahre war ein Schaden für die öffentlichen Kassen in Höhe von über 18 000 Euro entstanden. „Lügen und Betrug haben auch in diesem Fall kurze Beine“, sagt Walter Fischl, der Geschäftsführer des Jobcenters, für den Sozialbetrug kein Kavaliersdelikt darstellt.

Vielzahl von Behörden haben Zugang zu Bankdaten
Sozialbetrug ist strafbar, und das Risiko, dabei ertappt zu werden, ist – nicht zuletzt seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit im April 2005 – erheblich gestiegen. Denn seitdem erhält eine Vielzahl von Behörden Zugriff auf Bankdaten. Das Netzwerk zwischen Arbeitsämtern, Finanzamt, Sozialamt und Banken ist dicht gestrickt, sagt Peter Rasch, der Leiter des Sozialamtes am Landratsamt Landsberg. Wenn zum Beispiel Wohngeld beantragt werde, erfolge in der Regel ein Datenabgleich. Betrüger gehen den Behörden immer wieder ins Netz, im Landkreis allerdings nur vereinzelt. „Insoweit wäre eine Stimmungsmache gegen Empfänger von Hartz IV am Fallaufkommen gemessen völlig vorbei argumentiert“, sagt Walter Fischl.

Doch wie der vorab geschilderte Fall zeigt, wird immer wieder versucht, Sozialleistungen zu erschleichen. Wer erwischt wird, dem droht in der Regel eine Freiheitsstrafe. Denn auch Staatsanwaltschaften und Gerichte sehen die Fälle nicht als Kavaliersdelikt. Mit Ausreden oder dem Hinweis auf die eigene Vergesslichkeit kann man sich nach Ansicht vieler Anwälte nur schwer aus der Affäre ziehen. Der Mann, der die Beschäftigung seiner Frau nicht meldete, wurde vom Jobcenter Landsberg angezeigt und vor Gericht laut Walter Fischl zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Darüber hinaus muss er für den entstanden Schaden aufkommen.

Im Bereich des Landsberger Jobcenters halten sich die umfangreichen Schadensfälle – 10 000 Euro aufwärts – in Grenzen, sagt Geschäftsführer Walter Fischl. Die wenigen Leistungsempfänger, die mit erheblicher krimineller Energie das Sozialsystem ausnutzen wollen, würden früher oder später entdeckt. Dabei sei der Kommissar „Zufall“ immer wieder hilfreich. Oftmals werde Sozialbetrug auch von Bekannten oder Nachbarn gemeldet. Seit zwei Jahren sind zudem strengere Kontrollen möglich, die im Landkreis von einem Außendienstmitarbeiter der Agentur für Arbeit durchgeführt werden. „Wenn uns etwas spanisch vorkommt, dann sind wir vor Ort“, sagt Peter Rasch vom Sozialamt.

Auch Schwarzarbeit fällt unter Sozialbetrug
Die Bezieher von Sozialleistungen sind verpflichtet, jede Änderung ihrer persönlichen Verhältnisse, insbesondere jede Aufnahme einer Beschäftigung, zu melden. Die wesentlichen Tatbestände, die zu einer Strafanzeige führen, sind nicht angezeigtes Einkommen, nicht angegebenes Kapitalvermögen und die nicht mitgeteilte Aufnahme einer Beschäftigung. Schwarzarbeit fällt laut Walter Fischl auch unter Sozialbetrug. Die Zollbehörden unterstützen Jobcenter, Arbeitsagentur und Sozialamt bei den Kontrollen. Derzeit habe seine Behörde einen Mann aus dem Landkreis Landsberg im Visier, der mehrere kleine Firmen betreibt und gleichzeitig Sozialleistungen bezieht.

Quelle: augsburger-allgemeine.de – 09.01.2009 – Von Thomas Wunder
Link zum Pressebericht: /www .augsburger-allgemeine.de/Home/Lokales/Landsberg/Lokalnachrichten/Artikel,-Auch-bei-Sozialbetrug-haben-Luegen-kurze-Beine-_arid,1445074_regid,2_puid,2_pageid,4500.html

Rüttgers will höheres Schonvermögen für ALG II Bezieher

Dienstag, Januar 13th, 2009

NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) erklärte beim Dreikönigs-Essen des NRW-Handwerks, dass auch Hartz IV Empfänger aufgrund der Wirtschaftskrise entlastet werden sollten.
So soll nach dem Willen des Ministerpräsidenten das erlaubte Sparguthaben für die Altersvorsorge annähernd verdreifacht werden. “Wir müssen das Schonvermögen für Langzeitarbeitslose erhöhen”, sagte Rüttgers.

Die derzeitige Gesetzeslage sieht vor, dass Langzeitarbeitslose lediglich 250 Euro pro Lebensjahr an Altersvorsorge-Vermögen behalten dürfen. Ersparnisse, die darüber hinausgehen, müssen aufgebraucht werden, bevor ein Anspruch auf ALG II besteht.

Wenn man wie in dieser Krise keine Chance mehr hat, wieder in Arbeit zu kommen, treibt diese Regelung die Menschen in Altersarmut”, kritisierte der NRW-Ministerpräsident. Nach Rüttgers Vorstellungen müsse das Schonvermögen daher auf 700 Euro pro Lebensjahr erhöht werden, um finanziellen Schwierigkeiten im Alter vorzubeugen.

Quelle: sozialleistungen.info – 09.01.2009 Von pr
Link zum Pressebericht: www .sozialleistungen.info/news/09.01.2009-ruettgers-will-hoeheres-schonvermoegen-fuer-alg-ii-bezieher/

Justizsenatorin von der Aue: Hartz-IV-Regeln sind Murks

Dienstag, Januar 13th, 2009

Harte Worte von Gisela von der Aue. Die SPD-Justizsenatorin vermisst klare Vorgaben für die Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Sie will Verbesserungen im Bund durchsetzen und die Gesetze überarbeiten.
Unpräzise und viel zu kompliziert: Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) hat am Wochenende die Hartz- IV-Gesetze scharf kritisiert. Angesichts der „enormen Klageflut an Berlins Sozialgerichten, die nicht abebbt“, sei die Justiz immer mehr „ein Reparaturbetrieb für schlechte Gesetze“. Die gesetzlichen Regelungen seien nicht praxistauglich und vermurkst, die Ermessenspielräume der zuständigen Jobcenter zu groß, es fehlten klare Vorgaben, sagte die SPD-Politikerin. Das müssten die Richter „ausbaden“. Mehr als 60 Prozent der 33 000 Verfahren, die im vergangenen Jahr am Berliner Sozialgericht eingingen, waren Klagen gegen Bescheide zur Arbeitslosenhilfe und- und Lebensunterhaltsicherung im Rahmen von Hartz IV.

„Das ist ein unfassbar großer Mount Everest aus Akten“, schilderte am Sonntag der Sprecher der Justizverwaltung, Daniel Abbou, die Situation. Geklagt wird wegen verweigerter Mietübernahmen, gegen Arbeitslosengeld-Bescheide, Einkommensanrechnungen oder „zu geringe“ Heizkostenzuschüsse. Im August 2008 registrierte das Sozialgericht den 50 000. Klagefall, seit die Hartz-IV-Reform 2005 in Kraft trat. Abbou: „Die Akten stapeln sich tatsächlich bis unter die Decke, die Richter verschwinden dahinter.“

Als Soforthilfe will die Justizverwaltung den 85 Berliner Sozialrichtern dieses Jahr 40 zusätzliche Kollegen zur Seite stellen. Damit werde allerdings nicht die Ursache der Misere bekämpft, betont ihr Sprecher. In erster Linie müsse es darum gehen, die bundesweit Verwirrung stiftenden gesetzlichen Regelungen zu überarbeiten. Sie müssten besser verständlich sein und mit der „Lebenswirklichkeit so in Übereinstimmung gebracht werden, dass Antragsteller und Behörden Rechtssicherheit haben“ – auch ohne die Sozialgerichte zu bemühen.

Mit der Hartz-IV-Reform wurde erstmals bundesweit die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe verwirklicht. Das stellt den Gesetzgeber und die Arbeitsbehörden bis heute vor große Probleme, weil von Anfang an Erfahrungen fehlten. Ein Hauptfehler war und ist aus Sicht der Justizverwaltung sowie der Sozialexperten der rot-roten Koalition im Abgeordnetenhaus, Ülker Raradziwill (SPD) und Elke Breitenbach (PDS), dass der Bundesgesetzgeber „zu vieles einfach offenlässt“.

Beispiel Mietübernahme: Laut Gesetz steht Hartz-IV-Empfängern zwar ein „angemessener Wohnraum“ zu, doch was dies konkret bedeutet, muss über die Ausführungsverordnungen der Kommunen oder Länder geregelt werden. Deshalb gibt es bundesweit ganz unterschiedliche, mal strengere, mal großzügigere Vorgaben hinsichtlich Größe und Miethöhe, was viele Betroffenen veranlasst, Vergleiche anzustellen und mit ihrer Klage bis vors Bundesozialgericht zu ziehen. Höchstrichterliche Urteile erzwingen dann wiederum ständige Änderungen im Gesetz und bei den Durchführungsverordnungen. Die Hartz-IV-Gesetzgebung „wurde schon 190 Mal modifiziert“, sagt Elke Breitenbach. Berlins Jobcenter seien darauf noch immer unzureichend vorbereitet, sie bräuchten mehr und qualifizierteres Personal zur Betreuung der 417 000 Hartz-IV-Empfänger in der Stadt.

Das fordern auch die Justizverwaltung und die SPD. „Jeder zweite Kläger bekommt vor Gericht Recht,“ heißt es dort. Dies zeige die „hohe Fehlerquote“ der Berliner Jobcenter. Sie seien überfordert – was deren Sprecher Olaf Möller allerdings dementiert. Die Unzulänglichkeit des Gesetzes sieht er als Hauptgrund der Misere an. Man bemühe sich aber um mehr Personal und weitere Schulungen. Außerdem würden derzeit etliche befristete Jobcenter-Stellen in Dauerstellen umgewandelt. Das soll die bisherige Rotation bei den Sachbearbeitern verringern, man will erworbene Kompetenzen in Sachen Hartz IV möglichst langfristig nutzen.

Justizsenatorin Gisela von der Aue will nun auf Bundesebene aktiv werden. Unter ihrer Federführung sollen die Justizminister der Länder noch im Januar erstmals in Berlin zusammenkommen und bis November 2009 „wirksame Gesetzesverbesserungen“ erarbeiten.

Quelle: tagesspiegel.de – (Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 12.01.2009)
Link zum Pressebericht: www .tagesspiegel.de/berlin/Landespolitik-Gisela-von-der-Aue-Hartz-IV;art124,2703406