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Ein Recht auf 50 Quadratmeter München

Mittwoch, März 4th, 2009

Bundessozialgericht: Auch in teuren Großstädten steht Hartz-IV-Empfängern nicht weniger Wohnfläche zu
Muss sich ein Langzeitarbeitsloser in einer Großstadt wie München, wo die Mieten hoch sind, mit weniger Wohnfläche zufrieden geben als ihm nach landesrechtlichen Vorschriften in Bayern zuständen? Die für den Vollzug der Hartz-IV-Gesetze zuständige Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung München (Arge) hatte ihre niedriger angesetzte Grenze damit begründet, dass aufgrund der überdurchschnittlich hohen Immobilienpreise in München auch Menschen mit gutem Einkommen in der Landeshauptstadt mit kleineren Wohnungen, als anderswo bezahlbar wären, vorlieb nehmen müssen.

Diesem durchaus nachvollziehbaren Argument aber vermochte der 4. Senat des Bundessozialgerichts nicht zu folgen und verwies die Klage eines Betroffenen zur erneuten Verhandlung zurück ans Landessozialgericht. Die Arge will erst die schriftliche Begründung abwarten, bevor sie Konsequenzen für die Übernahme von Mietkosten zieht.

Ein 63-jähriger alleinstehender Langzeitarbeitsloser, der eine 56 Quadratmeter große Mietwohnung mit zwei Zimmern bewohnt, bekam zunächst die Kaltmiete in Höhe von 521,52 Euro von der Arge bezahlt. Doch nach Auffassung der Arge war diese Miete insgesamt zu hoch. Im Sozialgesetzbuch II ist festgelegt, dass die Arge “Leistungen für Unterkunft und Heizung” nur in der Höhe bezahlen darf, wie sie “angemessen” ist. Höhere Beträge dürfen nur übernommen werden, so lange es dem Betroffenen nicht möglich oder zumutbar ist, die Kosten zu senken, “in der Regel jedoch längstens für sechs Monate”, heißt es im Gesetz.

Die Arge forderte den Mann deshalb auch auf, sich um eine Senkung der Mietkosten zu bemühen, etwa indem er sich eine neue, billigere Wohnung oder einen Untermieter sucht. Weil der Mann entsprechende Bemühungen nicht ausreichend belegt hat, kürzte die Arge nach sechs Monaten schließlich die für die Miete ausbezahlte Leistung um rund 92 Euro. Nach Auffassung der Arge stünden dem alleinstehenden Mann maximal 45 Quadratmeter Wohnfläche zu. In erster Instanz bekam die Arge Recht.

Der 4. Senat des Bundessozialgerichts kritisierte nun aber in deutlichen Worten, dass die “angemessene Wohnungsgröße” nicht in einer Verordnung bundesweit einheitlich festgelegt ist (Az: B 4 AS 30/08 R). Bei der Bestimmung der angemessenen Größe sei mangels anderer Anhaltspunkte deshalb “bis auf Weiteres von den landesrechtlichen Ausführungsvorschriften zur Wohnraumförderung auszugehen”, verlangt das Bundessozialgericht. Nach den in Bayern gültigen Verwaltungsvorschriften gilt für Alleinstehende eine Sozialwohnung mit bis zu 50 Quadratmetern Wohnungsgröße als angemessen. “Die generelle Beschränkung auf 45 Quadratmeter seitens der Arge München widerspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts”, urteilte der Senat.

Dennoch erging keine abschließende Entscheidung in dem Rechtsstreit. Dem Landessozialgericht gab der Senat auf, zu ermitteln, welcher Quadratmeterpreis für Wohnungen im unteren Mietsegment angemessen ist. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind Wohnungskosten bei Arbeitslosengeld-II-Empfängern dann insgesamt als “angemessen” einzuschätzen, wenn die Kosten nicht mehr betragen als das Ergebnis der Multiplikation von angemessener Wohnfläche (also 50 Quadratmeter) mit dem ortsüblichen Quadratmeterpreis. Für den Einzelfall bedeutet dies, dass es für die beiden Faktoren keine starren Grenzen gibt: Ein paar Quadratmeter mehr müssen also nicht unbedingt zur Kürzung seitens der Arge führen – falls dies im Endeffekt durch einen entsprechend niedrigeren Quadratmeterpreis ausgeglichen wird.

Quelle: sueddeutsche.de – 23.02.2009 – Von Sven Loerzer
Link zum Pressebericht: www .sueddeutsche.de/753382/034/2770013/Ein-Recht-auf-50-Quadratmeter-Muenchen.html

Regierung will Sozialgesetze nicht nachbessern

Montag, Januar 26th, 2009

Berlin – Die Bundesregierung sieht trotz der Klagewelle von Hartz-IV-Empfängern keinen Grund, die umstrittenen Sozialgesetze nachzubessern. Es sei das “gute Recht der Betroffenen, ihr Recht zu suchen”, sagte ein Ministeriumssprecher am Freitag in Berlin.

Er verwies darauf, dass rund sieben Millionen Menschen Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch bekämen, da werde es “immer Klagen geben”. Allerdings sei das Ministerium bemüht, die Anwendung der Sozialgesetzgebung zu verbessern und die Entscheidungen der Gerichte in die Arbeit der Ämter einfließen zu lassen.

Nach Angaben des Bundessozialgerichts reißt vier Jahre nach dem Inkrafttreten von Hartz IV die Klagewelle gegen die umstrittene Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe nicht ab. So gingen im vergangenen Jahr 174 618 neue Verfahren bei den erstinstanzlichen Sozialgerichten ein – gut 38 000 mehr als 2007. Das entspricht einem Zuwachs um knapp 28 Prozent. Am häufigsten wird über die Kosten der Unterkunft, die Anrechnung von Einkommen oder die Sanktionen gegen Leistungsempfänger gestritten.

Die stellvertretende Gerichtspräsidentin Ruth Wetzel-Steinwedel hatte kritisiert, dass die Behörden die Urteile der Sozialgerichte oft ignorieren würden. “Das wird vielfach einfach nicht zur Kenntnis genommen.” Offenbar fehle bei den Behörden der Druck, sich nach den Grundsatzentscheidungen zu richten: “Ein Teil unserer Entscheidungen kommt oft gar nicht dort an, wo er ankommen soll.” Die Bundesagentur für Arbeit (BA) wies diesen Vorwurf gestern umgehend zurück.

Die Aussagen seien nicht nachvollziehbar, erklärte die Bundesagentur am Freitag in Nürnberg. Alle Änderungen durch den Gesetzgeber oder höchstrichterliche Entscheidungen “wurden und werden durch die BA umgesetzt. Das gelte auch für Hartz-IV-Fälle, hieß es in einer Erklärung.

Quelle: welt.de – 24. Januar 2009 – Von AP
Link zum Pressebericht: www .welt.de/welt_print/article3081823/Regierung-will-Sozialgesetze-nicht-nachbessern.html

DGB fordert grundsätzliche Korrekturen an Hartz IV

Montag, Januar 26th, 2009

“Komplizierte Details”, “unzumutbare Zumutbarkeitsregeln” und ein “bürokratisches Monster”: Die Kritik des Deutschen Gewerkschaftsbundes an der Hartz-IV-Gesetzgebung ist deutlich und die Schlussfolgerung klar. Die Regierung muss die Gesetze komplett auf den Prüfstand stellen. Mit dieser Forderung ist der DGB nicht allein.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB hat seine Forderung nach grundsätzlichen Korrekturen der Hartz-IV-Gesetze bekräftigt. „Die hohe Zahl der Klagen ist eine deutliche Aufforderung an den Gesetzgeber, Hartz IV komplett auf den Prüfstand zu stellen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach der „Passauer Neuen Presse“.
Dies gelte nicht nur für komplizierte Details wie bei den Anrechnungsmodalitäten, sondern „auch und nicht zuletzt für die unzumutbaren Zumutbarkeitsregeln“, erklärte Buntenbach.

Es sei absehbar gewesen, dass Hartz IV zu „einem bürokratischen Monster“ werde. „Es ist nur nachvollziehbar und gerechtfertigt, dass sich die Betroffenen zur Wehr setzen, weil sie extrem unter Druck gesetzt werden, ohne dass ihnen eine ausreichende Perspektive auf dem Arbeitsmarkt geboten wird“, erklärte sie.
Angesichts eines Rekords bei Klagen gegen Hartz IV hatte zuletzt das Bundessozialgericht (BSG) Nachbesserungen bei der Reform gefordert. 2008 gab es bei den Sozialgerichten der 1. Instanz bundesweit rund 174.618 neue Verfahren, 2007 waren es noch 136.614 Klagen und einstweilige Rechtsschutzverfahren gewesen.

Quelle: welt.de – 24. Januar 2009
Link zum Pressebericht: www .welt.de/politik/article3082774/DGB-fordert-grundsaetzliche-Korrekturen-an-Hartz-IV.html