Posts Tagged ‘ALG II’

B 14/7b AS 2/07 R – Bei Unterhaltspflicht nicht mehr ALG II

Sonntag, Juni 21st, 2009

Unterhaltsverpflichtungen eines Hilfebedürftigem führen nicht zu einer Erhöhung des anerkannten Hartz IV Regelsatzes.
Soweit der Arbeitslosengeld II (ALG II) Hilfebedürftige geltend macht, dass die Regelleistung bzw die Festsetzung der Regelleistung gemäß § 20 SGB II als solche verfassungswidrig ist, ist dem nicht beizutreten. Der erkennende Senat ist bereits mehrfach insofern dem 11b. Senat des BSG gefolgt, der in seinem Urteil vom 23. November 2006 (BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3) entschieden hat, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe der Regelleistung bestehen (vgl hierzu Urteile des erkennenden Senats vom 6. Dezember 2007 – B 14/7b AS 62/06 R und vom 27 Februar 2008 – B 14/7b AS 32/06 R). Das Vorbringen des Hilfebedürftigen gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.

Sein Einwand, die Zuerkennung der ALG II Regelleistung in Höhe von lediglich 345 Euro erlaube es ihm nicht mehr, seinen Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen, lässt nicht den Schluss auf eine vor dem Hintergrund des Elterngrundrechts (Art 6 Abs 2 Satz 1 GG) beachtliche Bedarfslage zu, die durch Leistungen nach dem SGB II auszugleichen wäre. Die Regelungen nach dem SGB II und dem SGB XII müssen den Regelungen des Unterhaltsrechts nicht folgen. Sie substituieren keine Unterhaltsverpflichtung durch Leistungen an den Verpflichteten, sondern fehlende Unterhaltszahlungen durch Leistungen an den Unterhaltsberechtigten (vgl bereits BSGE 97, 242, 249 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 22). Eine Beeinträchtigung von Grundrechten des Hilfebedürftigen folgt daraus nicht. Urteil: Bundessozialgericht, BSF Az. B 14/7b AS 2/07 R

Quelle: gegen-hartz.de – 24.03.2009
Link zum Pressebericht: www .gegen-hartz.de/urteile/hartz-iv-bei-unterhaltspflicht-nicht-mehr-alg-ii98272.html

Nur tatsächlich gezahlter Unterhalt darf auf ALG II angerechnet werden

Montag, Juni 15th, 2009

Nach einem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland Pfalz darf nur der tatsächlich gezahlte Unterhalt auf die Leistungen von Arbeitslosengeld II (ALG II) angerechnet werden. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Im konkreten Fall wurde einer jungen Frau der Erhalt von Zahlungen aus dem ALG II (Hartz IV) mit der Begründung verweigert, dass der Vater nach einer Vereinbarung verpflichtet war, einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 381 Euro zu zahlen. Der Mann verrechnete diesen Betrag jedoch mit einem von ihm vorher gewährten Darlehen und überwies letztlich jeden Monat nur 125 Euro. Zur Berechnung des Leistungsanspruchs legte der Sozialträger jedoch die vereinbarte Summe von 381 Euro zugrunde, so dass der Lebensunterhalt der Frau zusammen mit dem Kindergeld bereits gedeckt sei. Der Sozialträger wollte die Anrechnung der Darlehensrückzahlungen zugunsten der Frau nicht berücksichtigen.

Die Frau klagte gegen diese Entscheidung und die Mainzer Richter gaben ihr Recht. Ihrem Urteil nach muss bei der Berechnung der Leistungen aus dem ALG der tatsächlich ausgezahlte Unterhalt und nicht der vorher vereinbarte Unterhalt berücksichtigt werden. Wenn dies nicht der Fall wäre, wäre der eigentliche Sinn der ALG II-Leistungen, nämlich den Lebensunterhalt zu sichern, verfehlt. Ob die Aufrechnung des Darlehens mit den Unterhaltszahlungen als “nicht pfändbare Forderung” im konkreten Fall zivilrechtlich überhaupt zulässig sei, sei an dieser Stelle unerheblich, so das Gericht.

Quelle: geldio.de – 11.Juni 2009 – von mh
Link zum Pressebericht: www .geldio.de/news/nur-tatsaechlich-gezahlter-unterhalt-darf-auf-alg-ii-angerechnet-werden-3709

L 7 AS 102/08 – Kein Hartz IV Mehrbedarf bei Erwerbsf. Behinderte

Freitag, Juni 12th, 2009

Erwerbsfähige Schwerbehinderte im Bezug von Hartz IV haben keinen Anspruch auf Mehrbedarf für Behinderung.

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (AZ: L 7 AS 102/08) urteilte: Ein behindertenbedingter Mehrbedarf ergibt sich nicht aus § 21 Abs. 4 SGB II BGBl. I S. 2954. Danach erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 Neuntes Buch sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit erbracht werden, einen Mehrbedarf von 35 % der nach § 20 [SGB II] maßgebenden Regelleistung. Die Klägerin ist dem anspruchsberechtigten Personenkreis nicht zuzurechnen. Denn sie erfüllt die Voraussetzungen des § 21 Abs. 4 SGB II (offensichtlich) nicht, da sie keine der in dort genannten Leistungen bezogen hat. (

Die Klägerin kann entgegen ihrer Auffassung ihr Begehren auch nicht auf § 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 SGB II stützen. Dabei kann der Senat offen lassen, ob diese erst mit Wirkung vom 01.08.2006 eingefügte Norm (Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende BGBl. I S. 1706) überhaupt auf einen Sachverhalt vor Inkrafttreten angewendet werden kann. Denn die Klägerin ist im Zeitraum von Januar 2005 bis Mai 2006 nicht erwerbsunfähig gewesen. Nach § 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 SGB II erhalten nichterwerbsfähige Personen einen Mehrbedarf von 17 %, wenn sie Inhaber eines Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX mit dem Merkzeichen “G” sind. Bei der Klägerin sind zwar die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches “G” und ein GdB von 60 anerkannt. Die Klägerin ist jedoch keine nichterwerbsfähige Person im Sinne dieser Vorschrift, sondern bezog Grundsicherungsleistungen als erwerbsfähige Berechtigte (§§ 8 Abs. 1, 7 SGB II).

Auch die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 SGB II liegen nicht vor. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke. Aus der Übertragung der Mehrbedarfsregelung des SGB XII unter Verweis auf den Gleichheitsgrundsatz folgt (BT-Drucks. 16/1410, S. 25), dass der Mehrbedarf für Schwerbehinderte im SGB II vom Gesetzgeber nur für den erwerbsunfähigen Sozialgeldbezieher gewährt werden kann. Die Änderung in § 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 SGB II ist allein als Korrektur einer vorbestehenden Ungleichbehandlung des Personenkreises der behinderten Sozialgeldempfänger anzusehen. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber eben gerade insoweit keine einheitliche Gewährung eines Mehrbedarfs für Schwerbehinderte sowohl für Leistungsbezieher nach dem SGB II und dem SGB XII beabsichtigte.

Eine Anspruchsgrundlage für den Mehrbedarf für Schwerbehinderte ergibt sich auch nicht aus dem SGB XII.

Der Anspruch lässt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus § 30 SGB Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB XII , Art. 1 des Gesetzes BGBl. I S. 3022) herleiten. Danach erhalten nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) voll erwerbsgeminderte Personen unter 65 Jahren, die einen Ausweis nach § 69 Abs. 5 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) mit dem Merkzeichen “G” besitzen, einen Mehrbedarf von 17 % des maßgeblichen ALG II Regelsatzes, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Zum einen erfüllt die Klägerin diese Voraussetzungen im streitbefangenen Zeitraum nicht. Die volle Erwerbsminderung nach dem SGB VI wurde erst danach festgestellt. Zum anderen schließt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 2 SGB II der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches aus. Dazu zählen die §§ 27 bis 40 SGB XII und somit auch § 30 SGB XII.

Der Anspruch kann auch nicht auf § 73 SGB XII gestützt werden. Soweit der von der Klägerin geltend gemachte besondere Bedarf zu dem von der Regelleistung umfassten Bedarf zählt, kann nicht auf § 73 SGB XII zurückgegriffen werden (Spellbrink, a.a.O., § 20 Rn. 38). Ansonsten setzt ein Anspruch nach § 73 SGB XII eine atypische Bedarfslage voraus, für die die in Kapitel Neun des SGB XII enthaltene Sperrwirkung des § 5 Abs. 2 S. 1 SGB II nicht eingreift. Nach § 73 S. 1 SGB XII können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Die Norm darf nicht zur allgemeinen Auffangnorm für Leistungsempfänger des SGB II ausgeweitet werden. Daher ist eine atypische Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist (BSG, B 7b AS 14/06 Rn. 22 ), notwendig. Es muss sich dabei um eine besondere atypische Bedarfslage, unter besonderer Berücksichtigung der Grundrechte, handeln. Hierzu zählt z.B. “im Lichte des Art. 6 Abs. 1 und 2 S. 1 GG” das Umgangsrecht mit den Kindern des nicht sorgeberechtigten Elternteils im Zuge der Scheidung (BSG, a.a.O.). Das Vorliegen verfassungsrechtlicher Gründe für einen Sonderbedarf ist bei der Klägerin nicht erkennbar. Eine solche atypische Bedarfslage liegt nicht vor. Vielmehr handelt es sich (nur) um einen erhöhten Bedarf.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann sie einen Anspruch auf Leistungen für Mehrbedarf für erwerbsfähige Menschen mit Behinderungen auch nicht auf Art. 3 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit § 30 Abs. 1 SGB XII oder § 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 SGB II stützen. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Eine Regelung ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, das sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BVerfGE 116, 229, 238; 112, 368, 401). Der Gesetzgeber hat gerade bei der Gewährung von Sozialleisungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpfen, grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 100, 195, 205; BSGE 90, 172, 178). Es ergeben sich allerdings aus dem allgemeinen Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (BVerfGE 88, 87, 96). Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (BVerfGE 111, 160, 171). Gemessen an diesen Vorgaben hat der Gesetzgeber seien Gestaltungsspielraum nicht überschritten.

Der hilfebedürftige Behinderte nach dem SGB II erhält neben den Leistungen nach § 19 S. 1 SGB II einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II und für den Fall, dass er wegen der Schwer- und/oder Gehbehinderung zusätzlich einen Mehrbedarf hat, den er dann nicht aus der Regelleistung bestreiten kann, den unabdingbaren zusätzlichen Bedarf als Sach- oder Geldleistung darlehensweise nach § 23 Abs. 1 SGB II (BSG B 1 KR 10/07 R, Rn. 30 zur Zuzahlung in der gesetzlichen Krankenversicherung). Erwerbsunfähige Behinderte erhalten neben dem Regelsatz und den Leistungen für Unterkunft und Heizung u.a. einen Mehrbedarf nach § 30 Abs. 4 SGB XII, wenn sie das 15. Lebensjahr vollendet haben und Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 geleistet wird in Höhe von 35 % des maßgeblichen Regelsatzes, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Jedoch ist nach § 30 Abs. 4 S. 3 SGB XII “Abs. 1 S. 1 Nr. 2 daneben nicht anzuwenden”. Dabei handelt es sich um die Norm, die die Gewährung des Mehrbedarfs für Menschen mit Behinderungen, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII noch nicht erreicht haben, regelt. Eine Ungleichbehandlung in dem Fall, dass jeweils Eingliederungsleistungen bezogen werden, liegt somit nicht vor. Denn nach § 30 Abs. 4 S. 3 SGB XII erhält der Bezieher von Sozialhilfe dann auch keinen Mehrbedarf wegen Vorliegens einer Behinderung und der Gehbehinderung.

Eine gegen Art. 3 GG verstoßende Ungleichbehandlung der erwerbsfähigen Hilfebedürtigen gegenüber den Leistungsbeziehern nach dem SGB XII, die nach § 30 SGB XII einen Mehrbedarf beanspruchen können, liegt ebenfalls nicht vor. Soweit geltend gemacht wird, dass jeweils ein unabweisbarer Sonderbedarf bestehe, dem zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung jeweils durch besondere Leistungen Rechnung getragen werden müsse, so dass den SGB II-Berechtigten mindestens der Standard des SGB XII zu gewähren sei (LSG Berlin-Brandenburg, L 14 B 1378/05 AS PKH; Brühl in LPK-SGB II, § 5 Rn. 47; Armborst, info also 2006, 59 f.), ist die unterschiedliche Behandlung hinreichend durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Denn bei dem Leistungsempfänger nach dem SGB II handelt es sich um einen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, während sich der nach dem SGB XII Berechtigte durch die Erwerbsunfähigkeit nach dem SGB VI auszeichnet. Letzterem wird eine konkrete langfristig ausgerichtete Absicherung im Sinne einer umfassenden Fürsorge zuteil.

Dem Sozialhilfebezieher wird der Mehrbedarf gewährt, um Kontaktpflege zu ermöglichen und einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass der Erwerbsunfähige im Gegensatz zu dem Berechtigten nach dem SGB II eben gerade nicht in der Lage ist, durch eine (geringfügige) Tätigkeit etwas hinzu zuverdienen, um sich ein zusätzliches, (zum Teil) anrechnungsfreies Einkommen zu verschaffen (Oestreicher/Schelter/Decker, BSHG, Stand Juli 2003, § 23 Rn. 8 ff.; LSG NRW, L 9 AS 34/08). Zwar ist erkennbar, dass die Personenkreise der Grundsicherungs- und der Sozialhilfebezieher tatsächlich enger zusammenrücken bei Vorliegen einer Schwerbehinderung und einer Gehbehinderung, da auch für die erwerbsfähigen gehbehinderten Behinderten zusätzliche weitere Eingliederung- und Vermittlungshemmnisse bestehen. Jedoch verbleibt dem SGB II-Empfänger die Möglichkeit, eine Nebentätigkeit auszuüben. Daneben ist zu beachten, dass die vorrangige Zielsetzung, den Hilfebedürftigen nach dem SGB II möglichst umgehend in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, dem Gesetzgeber den Gestaltungsspielraum eröffnet, vorübergehend aus sachlichen Gründen eine Differenzierung vorzunehmen. Denn es werden andererseits zusätzliche Maßnahmen, etwa Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach den §§ 15 ff. SGB II gewährt, um die Eingliederung erwerbsfähiger Hilfebedürftiger in den Arbeitsmarkt zu realisieren (BSG, Urteil B 14 AS 24/07 R). Daher kann der Leistungsempfänger auch keine vollkommene Gleichbehandlung mit dem Bezieher von Sozialhilfe verlangen (Spellbrink in Eicher/Spellbrink, § 20 Rn. 37).

Quelle: gegen-hartz.de – 13.05.2009
Link zum Pressebericht: www .gegen-hartz.de/urteile/kein-hartz-iv-mehrbedarf-bei-erwerbsfaehigen-behinderung88723.html