Hilfe für die Hoffnungslosen


NÜRNBERG/FREIBURG. Millionen Arbeitslosengeld-II-Empfänger schaffen die Rückkehr in ein normales Berufsleben nicht. Nach einer am Montag veröffentlichten Studie des Nürberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erhielten rund drei Millionen Menschen von der Einführung der Hartz-IV-Reform im Januar 2005 an durchgehend bis Dezember 2007 Arbeitslosengeld II. Fachleute plädieren deswegen für einen öffentlichen Beschäftigungssektor.
Seit den 1970er Jahren wird experimentiert und diskutiert, wie Arbeitslosen zu helfen ist, die so schwere persönliche Probleme haben, dass sie nicht oder nicht mehr in eine Arbeitsstelle vermittelt werden können. Die Fachleute sprechen dann von “multiplen Vermittlungshemmnissen” und meinen Krankheiten, Kriminalität, Alkohol- oder Drogenabhängigkeit, nicht einmal die geringste Ausbildung, resistente Abneigung gegenüber geregelter Arbeit überhaupt und dergleichen mehr.

Was also tun mit diesen Menschen? “Wir brauchen einen öffentlichen Beschäftigungssektor”, sagt DGB-Vorsitzende für die Region Südbaden, Jürgen Höfflin, seit Jahren. Dafür hat er bei anderen Sozialpolitikern, den Verantwortlichen der Agentur für Arbeit und den Arbeitgebern Zustimmung bekommen. Aber die Umsetzung wirft viele Fragen auf. Vor allem zwei: Wer kriegt was? Und wer zahlt? Antworten, zumindest für Südbaden, gibt ein Gutachten des Tübinger Politikwissenschaftlers Josef Schmid.

Er geht, wie andere Fachleute auch, von einem Missverhältnis zwischen dem hohen Fachkräftebedarf einerseits und der “Zunahme von Beschäftigungsproblemen wettbewerbsschwächerer und leistungsgeminderter Menschen” andererseits aus. “Es droht die soziale Ausgrenzung und die Entwicklung eines Prekariats”, sagte Schmid bei der Vorstellung der Studie in Freiburg.

Die gesellschaftspolitische Brisanz rechtfertigt nach Ansicht der Experten, dass für diesen Personenkreis ein ehernes Dogma der Arbeitsmarktpolitik außer Kraft gesetzt wird: Maßnahmen müssen nicht in erster Linie die möglichst schnelle Integration in den sogenannten ersten Arbeitsmarkt zum Ziel haben, sondern die gesellschaftliche Eingliederung und persönliche Stabilisierung eines Individuums. Nicht als kuschelweiches Ruhekissen, sondern im Sinne einer Arbeitsverpflichtung als Gegenleistung für die Hilfestellung.

Bei der Finanzierung hat die Bundesregierung die Wissenschaftler und Freiburger Auftraggeber der Studie überholt. Seit dem 1. April 2008 ist das Programm Job-Perspektive unbefristet in Kraft: Arbeitgeber können einen Beschäftigungszuschuss erhalten, wenn sie Langzeitarbeitslose einstellen, die mehrfache Vermittlungshemmnisse aufweisen. Voraussetzung für die Förderung ist, dass Vermittlungsversuche bereits ein halbes Jahr lang erfolglos geblieben sind und eine Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt auch in den nächsten 24 Monaten nicht zu erwarten ist. Der Beschäftigungszuschuss beträgt bis zu 75 Prozent des gezahlten tariflichen oder ortsüblichen Bruttoentgelts und gilt unbefristet. Auch Zuschüsse für begleitende Qualifizierung sind möglich.

Bis zum Jahresende 2008 sind bundesweit knapp 30 000 Stellen geschaffen worden. Insgesamt will die Bundesregierung 200 000 Langzeitarbeitslose in einen Job bringen. In Freiburg beziffern die Arbeitsagentur und Arbeitgemeinschaft die Zahl der neu geschaffenen Stellen auf etwa 50. Jetzt sollen gezielt die Träger gemeinnütziger Einrichtungen, die kommunalen und auch private Arbeitgeber davon überzeugt werden, dass es sinnvoll ist, in einem abgegrenzten öffentlichen Bereich noch mehr solcher Arbeitsplätze einzurichten.

Die integrationsferne Gruppe unter den knapp 12 000 Langzeitarbeitslosen im Agenturbezirk Freiburg macht ungefähr 1800 Personen aus, stellt das Schmid-Gutachten fest. Die Geschäftsführung hat bereits etwa 200 davon im Auge, die mit dem Beschäftigungszuschuss in öffentlichen Bereichen wie dem Gesundheitswesen und in kommunalen Diensten angestellt werden könnten. Der Anteil von Akademikern unter den Langzeitarbeitslosen ist in Freiburg übrigens doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt.

So wie bei den auf ein halbes Jahr befristeten Arbeitsgelegenheiten, den Ein-Euro-Jobs, sollen auch beim neuen öffentlichen Beschäftigungssektor IHK, Handwerkskammer und Gewerkschaften darüber wachen, dass keine reguläre Arbeit verdrängt oder aus bezuschusster Förderung nicht gewöhnliche Billigstarbeit wird. Denn die Förderung wird Zeit brauchen, die Experten gehen von bis zu zehn Jahren aus.

Quelle: badische-zeitung.de – 10. März 2009
Link zum Pressebericht: www .badische-zeitung.de/nachrichten/wirtschaft/hilfe-fuer-die-hoffnungslosen–12490394.html

Bookmark Dienste: Diese Icons verlinken auf Bookmark Dienste bei denen Nutzer neue Inhalte finden und mit anderen teilen können.
  • Alltagz
  • BlinkList
  • del.icio.us
  • Digg
  • Folkd
  • Furl
  • Google Bookmarks
  • Klickts
  • Linkarchiv
  • Linkarena
  • Ma.gnolia
  • MisterWong
  • Reddit
  • seekXL
  • Technorati
  • TwitThis
  • Webnews
  • Wikio DE
  • Weblinkr
  • Y!GG

Verwandte Artikel:

Schlagwörter: , ,

Einen Kommentar hinterlassen