Undercover mit Hartz IV

ROSTOCK – Anderthalb Jahre hat Markus Breitscheidel freiwillig von Hartz IV und Mini-Löhnen gelebt. Seine Erfahrungen als Leiharbeiter und Saisonkraft hat er in seinem Buch “Arm durch Arbeit” zusammengestellt. In der Universitätsbuchhandlung Weiland spricht er morgen Abend über die Misere des Niedriglohnsektors.
Warum haben Sie sich entschlossen, sich nach ihrem Buch “Abgezockt und totgepflegt”, in dem es um die Missstände in Pflegeheimen geht, dem Problem der Leiharbeit zuzuwenden?

Markus Breitscheidel: Weil der Riss zwischen Arm und Reich seit der Einführung der Agenda 2010 immer größer geworden ist. Und weil auch Menschen in meinem privaten Umfeld, die neu in Arbeit gekommen sind, von dieser nicht leben konnten. Ich habe von vielen gehört, die Hartz IV empfangen, dass sie große Probleme mit den Behörden hatten. Das wollte ich mir anschauen und sehen, wie die Agenda 2010 wirkt.

Was war dabei Ihr Ziel?
Breitscheidel:
Meine Recherchen sind relativ ergebnisoffen. Ich habe nicht gewusst, dass ich zu Opel komme oder zu Bayer. Für mich persönlich habe ich gehofft, die ein oder andere Erklärung dafür zu finden, warum der Mittelstand wegbricht.

Wie sind Sie bei Ihren Recherchen vorgegangen?
Breitscheidel: Ich habe unter meinem Künstlernamen gearbeitet. Damit bin ich berechtigt, auch Urkunden zu unterschreiben.


Welche Erfahrungen haben Sie in den Betrieben gemacht?
Breitscheidel: Durch die Leiharbeit wird der werkbetriebliche Arbeiter immer mehr ersetzt und verdrängt. Das ist bei Opel und Bayer schon in Massen geschehen. Man ist nicht davor zurückgeschreckt, die top ausgebildete Jugend anstatt sie fest einzustellen über eine Leiharbeitsfirma an den gleichen Arbeitsplatz zurückzuführen. Nur dann mit 30 Prozent weniger Gehalt. Ich habe festgestellt, dass die Industrien schauen, dass sie die Arbeiter so günstig wie möglich bekommen. Und dass wir alle durch die Aufstockung noch einen steuerlichen Anreiz dazu schaffen, mehr Leute im Niedriglohnsektor einzustellen. Vor 2003 hatten wir etwa 180 000 Menschen in Deutschland in der Leiharbeit und mittlerweile sind wir bei mehr als 1,3 Millionen. An der Maschine, an der ich gearbeitet haben, waren von sechs Arbeitern drei Leiharbeiter für 6,40 Euro die Stunde angestellt, die das Gleiche gemacht haben wie die Werkarbeiter für 17,50 Euro. Das Klima ist entsprechend schlecht.

Wie haben Sie sich gefühlt?
Breitscheidel: Man fühlt sich als Mensch zweiter Klasse und so wird man auch behandelt. Das Unwürdigste war, dass man es nach 160 Stunden Schichtarbeit trotzdem nicht geschafft hat, Netto mehr zu verdienen als die Hartz IV Bezüge und sich dann jeden Monat wieder in die lange Schlange der Arbeitslosen auf dem Amt einreihen musste, um die so genannte Aufstockung zu beantragen.

Quelle: nnn.de – 12. Januar 2009 – Von iane
Link zum Pressebericht: www .nnn.de/lokales/rostock/artikeldetails/article/218/undercover-mit-hartz-iv.html

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