Posts Tagged ‘Hartz IV’

Lauter Gewinner – bis auf die Bürger

Samstag, Januar 17th, 2009

Das Konjunkturpaket II begeistert seine Erfinder. Doch die Wirkungen werden eher begrenzt sein.
Da hatten die Unterhändler der großen Koalition in den vergangenen Tagen den Mund wohl etwas voll und den Taschenrechner nicht zur Hand genommen. Immer neue Vorschläge, wie sich die Bürger entlasten ließen, zauberten sie aus ihren Schubladen, immer optimistischer wurden die Versprechungen. Nun ist das Verhandlungsergebnis da und die Überraschung groß. Denn von den vollmundigen Ankündigungen blieben jeweils nur Teile übrig.

Das konnte nicht passen
Das Grundproblem: Die Schwadroneure hatten vergessen, dass sie als Obergrenze des Konjunkturpakets II eine Summe von 50 Milliarden Euro anstrebten– für zwei Jahre, wohlgemerkt! Die Berechnungen aber verselbstständigten sich. Zehn Milliarden Euro sollten in die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge fließen– jährlich. Denselben Betrag beanspruchte die von der CSU getriebene Union für die Steuerentlastung. Das wären schon 40 Milliarden Euro gewesen. Dazu das öffentliche Investitionsprogramm, der Kinderbonus, die Aufbesserung der Hartz IV-Sätze – das konnte nicht passen.

Nun also alles eine Nummer kleiner. Der Beitrag für gesetzlich Krankenversicherte sinkt nur um 0,6 Prozentpunkte, was neun Milliarden kostet. (Interessanterweise ergaben in den Verhandlungen zehn Milliarden Euro immer eine Senkung um einen vollen Prozentpunkt– wo ist der Rest geblieben?). Neben der Erhöhung des Grundfreibetrages bei der Einkommensteuer, der etwa 4,30 Euro pro Monat bringt, wirkt sich auch die Senkung des Eingangssteuersatzes kaum aus. Beide Maßnahmen verschärfen sogar noch die so genannte kalte Progression. Dabei hatte die Union angekündigt, vor allem hier anzusetzen. Am besten und vor allem am spürbarsten – das ist erfreulich– kommen Familien weg: Sie erhalten pro Kind einmalig 100 Euro. Für Hartz-IV-Familien werden die Regelsätze für Kinder um rund 15 Prozent angehoben.

Zweifelhafte Steuerentlastung
Trotzdem werden sich die Urheber des Flickenteppichs ihre Erfolge herausstreichen. Die SPD hat den Kinderbonus durchgedrückt und die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge; die CDU hat das Bürgschaftsprogramm für die Industrie initiiert und einen Teil der Sozialbeiträge als Entlastung für die Arbeitgeber gerettet. Und die CSU wird sich der Steuerentlastung rühmen– obwohl die am zweifelhaftesten ist.

Dabei hatte die CSU in den vergangenen Wochen am lautesten auf die Pauke gehauen und erfolgreich den Eindruck erweckt, sie habe sich durchgesetzt– erst im Gefecht mit der Schwesterpartei CDU, dann auch in der Koalition. Nun wird erkennbar, dass vieles Theaterdonner geblieben ist. Denn gerade von der Abschwächung oder gar Abschaffung des so genannten Mittelstandsbauchs im Steuertarif kann keine Rede sein. Die kalte Progression wird nicht gemildert.

Die Herausforderung für den neuen CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer ist es, auch ohne die absolute Mehrheit früherer Zeiten im Rücken darzustellen, dass seine Partei immer noch eine Sonderstellung in der politischen Landschaft verdiene. Fast wäre ihm dies gelungen– wenn nicht die Ergebnisse des gestrigen Abends so halbherzig und gerade im Steuerbereich so dürftig gewesen wären.

Quelle: focus.de – 13.01.09 – Von FOCUS-Korrespondent Henning Krumrey
Link zum Pressebericht: www .focus.de/politik/deutschland/mitten_aus_berlin/mitten-aus-berlin-lauter-gewinner-bis-auf-die-buerger_aid_361723.html

Berlin, Hartz-IV-Hauptstadt

Samstag, Januar 17th, 2009

Leben mit Hartz IV – das ist Realität und Last für 561848 Berliner. Hartz IV ist aber auch eine Milliarden-Last für die Landeskasse.
Denn der Bund zahlt lediglich das Arbeitslosengeld II (Hartz-IV-Regelsatz: 351 Euro). Für Miete, Heizkosten, Beihilfen (z.B. Wohnungs-Erstausstattung, Klassenfahrten) und Darlehen (z.B. Mietkaution) der Hartz-IV-Empfänger muss jedoch hauptsächlich Berlin aufkommen.

Gesamtsumme 2008: 1,444 Milliarden Euro. Die Mietkosten machen mit 1,395 Milliarden (der Bund trägt davon 28,6%, also rund 399 Millionen Euro) den größten Anteil aus.

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hatte bereits 2005 gewarnt, dass die Hartz-IV-Kosten in Berlin „völlig aus dem Ruder“ laufen.

Und recht behalten. Im Haushaltsjahr 2007 gaben die Bezirke rund 512 Millionen Euro mehr aus, als veranschlagt. Denn vor allem die Kosten für die Unterkünfte der Hartz-IV-Empfänger „waren deutlich höher als erwartet“, so die Senatsfinanzverwaltung.

Und das ist noch nicht alles: „Insgesamt gibt Berlin jährlich rund fünf Milliarden für den Bereich Soziales aus. Das entspricht etwa einem Viertel des Gesamthaushalts“, so Sarrazins Sprecher Clemens Teschendorf.

Hartz IV ist auch eine Last für Berlins Wirtschaft. Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke) hatte schon 2005 einen Kaufkraftverlust durch Hartz IV in Höhe von 200 Millionen Euro errechnet. „Wo wenig Geld ist, wird auch wenig konsumiert“, sagte sie gestern und betonte: „Es geht aber nicht nur um Hartz-IV-Empfänger.

Hinzu kommen rund 100000 Berliner, die zwar arbeiten, aber mit ihrem Gehalt nicht existenzsichernd leben können und deshalb aufstockende Sozialleistungen erhalten.“

Quelle: bz-berlin.de – 17. Januar 2009 – Von BORIS DOMBROWSKI
Link zum Pressebericht: www .bz-berlin.de/BZ/berlin/2009/01/13/berlin-die-hartz-4-hauptstadt/jeder-vierte-bekommt-arbeitslosengeld-2.html

Konjunkturpaket II: Hartz IV erhöhen statt Steuern senken

Samstag, Januar 17th, 2009

Wirtschaftsförderung geht nur sozial und ökologisch
Das globalisierungskritische Netzwerk Attac hat für das zweite Konjunkturpaket Investitionen in soziale Gerechtigkeit statt Steuersenkungen gefordert. “Steuersenkungen, wie sie beide Koalitionsfraktionen planen, folgen weiter der neoliberalen Forderung nach dem schwachen Staat und schränken die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand ein. Steuersenkungen in der jetzigen Situation wären total falsch. Den von der Wirtschaftskrise am stärksten betroffenen Menschen – den Arbeitslosen und Geringverdienern – bringen sie überhaupt nichts”, sagte Detlev von Larcher, Finanzexperte von Attac. Statt gut verdienenden Arbeitnehmern und den Unternehmen für sie kaum spürbare 150 Euro Einkommensteuer im Jahr zu schenken, fordert Attac eine entsprechende Anhebung der Hartz-IV-Sätze. Detlev von Larcher: “Dort wären die 4,7 bis sieben Milliarden Euro sozial und ökonomisch sinnvoll angelegt.

Attac verlangt, alle Maßnahmen zur Konjunkturbelebung einem Umverteilungs- und Klima-Check zu unterziehen. Blindes Wirtschaftswachstum führe nicht zu mehr sozialer Gerechtigkeit – im Gegenteil. Gerade während der Boomjahre von 2000 bis 2005 sei die soziale Schere in Deutschland weiter aufgegangen. “Die Krise muss für den sozialen und ökologischen Umbau der Wirtschaft genutzt werden”, sagte Hendrik Auhagen, ebenfalls Mitglied des Attac-Koordinierungskreises.

Neben einer Erhöhung der Hartz-IV-Sätze fordert Attac, endlich die notwendige Konversion der Automobilindustrie hin zu einer
zukunftstauglichen weil klimafreundlichen Mobilitätsindustrie anzugehen. “Dieser Wandel muss und kann sozial verträglich gestaltet werden, etwa über eine Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich und Weiterbildungsangebote für die Beschäftigten. Was fehlt, ist der politische Wille”, sagte Hendrik Auhagen. Sinnvoll sei zudem die Förderung alternativer Energien und von Wärmedämmungsmaßnahmen insbesondere für öffentliche Gebäude und Mietwohnungen. Auch die Sanierung von Abwassersystemen und damit das Ende der Versickerung von Abwässern würde sowohl Arbeitsplätzen in der Region als auch der Umwelt zugute kommen. Dringend notwendig sind laut Attac öffentliche Investitionen in Bildungseinrichtungen wie Schulen und Hochschulen und in den öffentlichen Verkehr.

“Die Finanzierung all dieser Maßnahmen fällt leicht, wenn man das Geld da holt, wohin es durch den von den Finanzmärkten getrieben Kapitalismus geschaufelt wurde. Die Profiteure diese Systems müssen nun für die Kosten der Krise aufkommen”, betonte Detlev von Larcher. Dafür fordert Attac die Erhöhung des Spitzensatzes der Einkommensteuer, eine Sonderabgabe auf hohe Vermögen, eine ordentliche Erbschafts- und wieder eingeführte Vermögensteuer sowie eine Steuer auf Finanztransaktionen.

Quelle: scharf-links.de – 12.01.09
Link zum Pressebericht: www .scharf-links.de/57.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=3515&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=5ffadf1425