Hartz-IV muss her – und zwar sofort


Dieser Artikel wurde am 5.11.2008 in diesem Blog veröffentlicht. Weil in der taz jetzt ein Artikel Service-Hölle: Staatsanwalt scheitert an Hartz-IV-Hotline erschien, habe ich ihn noch einmal nach oben geholt.

Als nächstes probierte der Staatsanwalt den Weg über die Jobcenter-Hotline und kam nach ca. 10-minütiger Wartezeit auch endlich durch. Die Hotline wollte die Durchwahlnummer der zuständigen Mitarbeiterin allerdings nicht herausgeben, denn es gebe eine Weisung, dass man keine entsprechenden Mitteilungen machen dürfe. Die Telefonistin wollte auch nicht zum Vorgesetzten der Mitarbeiterin verbinden. Sie wollte auch den Namen ihres eigenen Vorgesetzten nicht nennen.

In meinem Artikel Hartz-IV muss her – und zwar sofort hatte ich insbesondere das mangelnde Service-Bewusstsein der (Berliner) Jobcenter kritisiert.

Wie Karl Lauterbach, linker SPDler, bin ich im Grundsatz für Hartz-IV. Jedoch zeigen sich schon in meinem sehr einfachen Fall (Single, Hochschulabsolventin) die großen Fehler im System. Im Moment sehe ich das für mich persönlich noch recht locker, ich bin es gewöhnt, von wenig Geld zu leben – die meisten Studierenden haben weniger als Hartz-IV – dennoch ärgert es mich, wie achtlos mit Menschen in Not umgegangen wird.

Nachdem ich mich jetzt mehr als einen Monat damit auseinandersetze, das mir zustehende Geld vom Amt zu bekommen, ein kleiner Zwischenbericht, gespickt mit Forderungen zu einer Hartz-IV-Reform und einer Linkliste zum Weiterlesen.

Ende August, kurz nach der Abgabe meiner Diplomarbeit, war ich beim Hochschulteam des Arbeitsamtes – Stichwort Mitwirkungsbereitschaft in vorauseilendem Gehorsam – dort habe ich eine gar nicht so dumme Beratung bekommen. Im Laufe des Septembers hatte ich verstanden, dass man für einen Hartz-IV-Antrag zum Jobcenter muss. Am zweiten Oktober war ich das erste Mal auf dem Amt, am zehnten hatte ich alle Unterlagen komplett abgegeben. Man sagte mir, sie seien vollständig. Einschub: Die Kritik an der Kompliziertheit des Hartz-IV-Antrags kann ich nicht nachvollziehen. Er ließ sich sehr einfach ausfüllen, viel einfacher beispielsweise als ein Bafög-Antrag. Und ich finde es richtig, dass man Vermögen und Konten nachweisen muss – Jede und jeder soll nach dem tatsächlichen Bedarf bekommen, nichts anderes finde ich logisch.

Bescheid kam schnell – aber viel zu wenig Geld

Überraschend schnell kam der Bescheid. Mir wurden pauschal für das nächste halbe Jahr 80 Euro, die meine Mutter mir nochmal zum Diplom überwiesen hatte, abgezogen. Schade drum, eventuell nicht rechtens (Graubereich Geschenke von Eltern) aber nachvollziehbar. Was mich mehr ärgerte: Die Kosten der Unterkunft (KdU) hatten sie nicht berechnen können – und das, obwohl man mir zuvor gesagt hatte, dass alles okay sei.

Natürlich legte ich Widerspruch ein. Seitdem ist offenbar nichts passiert. Meine Miete habe ich von meinen 271 Euro Hartz-IV bezahlt. Es bleiben mir 30 Euro pro Monat zum Leben – bei den KdU bisher nichts neues.

SGB-II-Hotline: Faktisch keine brauchbaren Auskünfte

Regelmäßig rufe ich bei der kostenpflichten Hotline des Jobcenters an, dort bekomme ich regelmäßig die Auskunft, dass man meine Anfrage an mein zuständiges Team weiterleite. Das wird dann im System vermerkt. Ein sinnvoller Tipp für all diejenigen, die eine wirkliche Auskunft haben möchten: Ruft direkt bei der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg an, telefoniert euch von der Vermittlung aus durch – bei den Nürnbergern ist man sehr freundlich, sie gaben mir auch gleich die entsprechende Beschwerdenummer für meinen Bezirk.

Mehr Service für alle

Im Grunde ist es höchst kritikwürdig, dass man beim Amt den notwendigen Service-Gedanken nicht verinnerlicht hat. Zwar sind die Menschen dort im Grundsatz freundlich, wenn man mit ihnen spricht, zumal, wenn man dies in einer Sprache tut, die freundlich ist und gleichzeitig durch Kenntnis des SGB-II geprägt ist. Seine Rechte und Pflichten zu kennen, ist bei Hartz-IV auf jeden Fall sinnvoll, ja notwendig: Das gibt einem ein besseres Gefühl, ja, einfach mehr Sicherheit bei der Kommunikation mit den Zuständigen beim Amt.

Auch wenn das Amt mit den vielen Hartz-IV-Anträgen wohl überfordert ist – ich habe bei meinen Besuchen dort gesehen, dass die Sachbearbeiter/innen sehr viel zu tun haben, kaum Pausen haben und einen Menschen nach dem anderen drannehmen – so finde ich es dennoch misslich, dass man bei der Beantragung alle seine Kontaktdaten abgibt, jedoch bei Fragen nicht angerufen wird.

Der Ton macht die Musik

Ich hätte es mir gewünscht, angerufen zu werden und erklärt zu bekommen, dass doch noch Unterlagen fehlen, anstatt eine förmliche Aufforderung zur Mitwirkung zu bekommen. In einem Telefonat hätte man mir kurz sagen können: Hören Sie, wir hätten gerne noch eine Auflistung der einzelnen Zimmer in ihrer WG, können Sie dies bitte liefern?. Anstatt dessen wird mir gedroht, dass mir die Leistung gänzlich versagt werden kann, wenn ich nicht mitmache. Der Ton macht die Musik Man könnte viel Druck bei Hartz-IV herausnehmen, wenn man hier etwas ändern würde. Wäre man etwas freundlicher und erklärender zu den Menschen, dann würden sie sich nicht so niedergemacht vorkommen. Diese juristisch-technokratische Art und Weise, mit Menschen umzugehen, scheint mir ein Grundfehler bei Hartz-IV zu sein.

Her mit dem direkten Drahl zur Leistungsabteilung

Am besten fände ich einen direkten Draht zur Leistungsabteilung – es sollte so sein, dass eine Telefonnummer zur Leistungsabteilung angegeben wird – diese könnte man beispielsweise auf den Bescheid oder auf die Briefe, schreiben. Anstelle dessen wird so getan, als gäbe es eine Durchwahl, in allen Fällen ist bei Durchwahl jedoch lediglich die Nummer zur kostenpflichtigen SGB-II-Hotline angegeben. Was es bringt, dort anzurufen, habe ich ja oben schon beschrieben.

Kritikwürdig: Residenzpflicht und Trainingsmaßnahmen

Im Grunde finde ich das Prinzip einer bedarfsorientierten Grundsicherung, auch das Prinzip des Förderns und Forderns sehr okay. Die Theorie ist gar nicht so schlecht. Eines, was ich im SGB-II-Heft las, empfinde ich aber als empörend: Hartz-IV-Empfänger/innen sind einer Residenzpflicht unterworfen – das bedeutet: sie haben dem Betreuer anzuzeigen, wenn sie die Stadt verlassen, und der Betreuer kann auch Nein sagen – das halte ich weder für praktisch umsetzbar noch für verhältnismäßig und schon gar nicht für notwendig.

Kritikwürdig sind wahrscheinlich auch die Maßnahmen nach 15a. Sollte ich im Dezember noch keinen Job haben, werde ich jeden Morgen Punkt Acht im Stadtteil Wedding zu einer Trainingsmaßnahme erwartet. Ich bin zwar gespannt, was dort abgeht, jedoch habe ich von diesen Maßnahmen schon schlimmes gehört und auf Grund des Programms zweifle ich daran, dass ich das dort lange aushalten werde. Hinzu kommt, dass mir bekannt ist, dass diese Maßnahmen an den Träger, der das preisgünstigste Angebot abgibt, vergeben wird. Mit Qualität haben diese Maßnahmen also eher weniger zu tun und ich glaube auch nicht, dass sie einen sinnvollen Beitrag zur Förderung meiner individuellen Talente darstellt.

Wie man aus meinen Ausführungen herauslesen kann, motiviert mich die eigene Betroffenheit nicht dazu, mich für eine Abschaffung von Hartz-IV oder für ein Grundeinkommen einzusetzen.

Meine Forderungen für eine Hartz-IV-Reform
Ich finde, man sollte mehr Menschen zur Bearbeitung der Anträge einstellen, das Jobcenter Berlin-Kreuzberg scheint mit den vielen Anträgen überfordert, und ich vermute, überall dort, wo viele Menschen Anspruch auf Hartz-IV haben, sieht die Lage ähnlich aus. Den Sachbearbeiter/innen den Zeitdruck zu nehmen wäre aber nur ein erster Schritt – es muss sich auch in der Kultur des Umgangs etwas grundlegendes ändern. Das Jobcenter sollte sich mehr als Service-Einrichtung begreifen: Das bedeutet, dass man selbstverständlich direkt bei der Leistungsabteilung anrufen und sich dort eine belastbare Auskunft geben lassen kann. Auch sollten die förmlichen, wenig menschenfreundlichen Schreiben umformuliert werden. Sie müssen einladender und leichter verständlich werden. Das beste wäre natürlich, wenn die Sachbearbeiter/innen den Service-Charakter ihrer Institution derart begreifen würden, dass sie einen direkt anrufen, wenn sie eine Frage haben. Die Maßnahmen nach 15a sollen mehr auf die individuellen Talente der einzelnen Menschen ausgerichtet sein, ein erster Schritt wäre es, aus verschiedenen Maßnahmen wählen zu können. Die Vergabe an Träger für 15a-Maßnahmen sollte nach Qualitätskriterien und nicht ausschließlich nach den geringsten Kosten stattfinden Die Residenzpflicht gehört abgeschafft.

Da ich ledig bin, habe ich niemand anderes in meiner Bedarfsgemeinschaft. Bei Pärchen und anderen, die das Amt für gegenseitig unterhaltspflichtig ansieht, kommen noch andere Kritik-Aspekte hinzu. Davon bin ich aber, wie gesagt, nicht betroffen.

Lauterbach in der taz: Die Hartz-IV-Reformen sind links Der Westen: Einsatz der Kofferträger am Bahnhof hat begonnen Beschluss BDK Nürnberg (PDF): Aufbruch zu neuer Gerechtigkeit

Quelle: premiumpresse.de – 23.03.2009 – WebContent
Link zum Pressebericht: www .premiumpresse.de/hartz-iv-muss-her-und-zwar-sofort-PR416120.html

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