Archive for Oktober, 2010

Kleinrechnerei als Großbetrug

Mittwoch, Oktober 20th, 2010

Kleinrechnerei als Großbetrug: Neuer Hartz IV Regelsatz verstößt vielfach gegen Urteil des Bundesverfassungsge- richts vom 9. Februar des Jahres. Ein Gastbeitrag von Holdger Platta.

Als am vergangenen Sonntag allmählich der Betrag des neuen Regelsatzes in der Öffentlichkeit durchzusickern begann – gerade mal 5 Euro mehr gegen- über dem alten Regelsatz, numehr 364,- Euro statt bislang 359,- Euro -, mochte es zunächst keiner glauben.

Er mußte es es auch nicht. Denn der neue Regelsatz ist eindeutig falsch und gleich mehrfach verfassungswidrig berechnet worden. Er geht unmittelbar auf den alten Regelsatz zurück. Und genau dieses hatte das Bundesverfassungs- gericht in seinem Urteil vom 9. Februar des Jahres ohne jede Einschränkung untersagt. Doch der Reihe nach:

Schon das Herumgerede der Sozialministerin Ursula von der Leyen bei der Talk- show „Anne Will“ am Sonntagabend des 26. Septembers hätte aufhorchen lassen müssen: wieder und wieder lenkte die CDU-Politikerin von der Errechnungsmethode zur Ermittlung des neuen Regelsatzes ab und versuchte stattdessen, die Gesprächsrunde auf die Zusatzbeträge für Kinder einzuschwören oder auf das sogenannte „Lohnabstandsgebot“ – auf das Motto mithin, daß auf jeden Fall das Lebensniveau der ALG-II-BezieherInnen unter dem der Niedrigverdiener zu liegen hätte.

Schon da hätte auffallen können, daß womöglich auch mit dem Einkommens- niveau dieser Bevölkerungsgruppe etwas nicht stimmen kann, daß auch diese Kleinstlöhner bereits weit unter dem Niveau des Existenzminimums angekom- men sind, hineinregiert in diese unsägliche Lebenssituation ausschließlich von der seit Jahren angesagten neoliberalen Politik. Doch mehr als ein erstes Indiz, daß da etwas faul sein könnte am neuen Regel- satz, bot dieses Herumgeeiere der nervös-beredten Ministerin natürlich nicht.

Verstoß gegen das Verbot „Zirkelschlussverfahren“
Ein ganzes Stück weiter konnte man da schon kommen, wenn man tags darauf auf die Website des Leyen-Ministeriums ging und dort plötzlich zu lesen hatte, unter dem Stichwort „Referenzgruppe“ nämlich (anhand dieses Bevölkerungs- teils sollte der neue Regelsatz errechnet werden):

zur Ermittlung des neuen Regelsatzes – sprich: des „Existenzminimums“! – seien lediglich alle Haushalte rausgerechnet worden, die – so wörtlich – nicht „ausschließlich“ ihren Lebensunterhalt aus „staatlichen Transferleistungen“ bestreiten.

Wie bitte? – Das heißt doch: zu einem (unbekannt großen) Teil haben die Errech- ner des neuen Regelsatzes auch Haushalte berücksichtigt, die bereits ihrerseits auf staatliche Gelder angewiesen sind, um überleben zu können.

Damit aber haben die Ermittler der neuen „Grundsicherung“ gleich gegen zwei Gebote aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom Februar dieses Jahres verstoßen: erstens gegen das sogenannte „Zirkelschlussverbot“ und zwei- tens gegen die Auflage, daß die Einkommenssituation der Referenzgruppe ein- deutig über Sozialhilfeniveau zu liegen habe.

Im Absatz 168 des Urteils vom 9. Februar 2010 heißt es dazu (Fettdruck-Her- vorhebungen in allen folgenden Urteils-Zitaten von mir. HP):

„…die Wahl des untersten Bevölkerungsquintils (= des untersten Bevölkerungs- fünftels. HP) beruhte auf der sachgerechten Erwägung, die Referenzgruppe der Bezieher von geringen Einkommen möglichst breit zu fassen, um statistisch zu- verlässige Daten zu verwenden.

Darüber hinaus vermeidet die erfolgte Herausnahme von Sozialhilfeemp- fängern Zirkelschlüsse, die entstünden, wenn man das Verbrauchsverhalten von Hilfeempfängern selbst zur Grundlage der Bedarfsermittlung machen würde.“

Und eindeutiger noch das damit ausgesprochene Zirkelschlussverbot im folgenden Absatz 169 aus dem genannten Urteil:

„Der Gesetzgeber konnte nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vertretbar davon ausgehen, dass die bei der Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 zugrunde gelegte Referenzgruppe statistisch zuverlässig über der Sozialhilfeschwelle lag…“

Dieses also ganz unzweideutig die Doppelvorgabe des Bundesverfassungsge- richts vom 9. Februar: Ermittlung eines neuen Regelsatzes – genauer: des neu festzulegenden Existenzminimums – nur auf derartige Weise, daß die Einkom- menssituation einer Referenzgruppe zugrundegelegt wird, die auf keinerlei staatliche Zusatzunterstützung aus irgendeinem der verschiedenen „Sozial- töpfe“ angewiesen ist.

In der Bevölkerungsgruppe, auf die man sich zur Ermittlung des neuen Regel- satzes stützt, darf keine einzige BezieherInnen und kein einziger Bezieher von staatlichen Transferleistungen vorhanden sein. Und bitte kein Mißverständnis:

mit „Hilfeempfänger“ und „über der Sozialhilfeschwelle“ hatte das Bundesver- fassungsgericht sämtliche BezieherInnen von sogenannten „Transferleistun- gen“ gemeint – nicht nur „Sozialhilfeempfänger“ nach dem Sozialgesetzbuch XII, nein, selbstverständlich auch ALG-II-BezieherInnen nach dem Sozialgesetz- buch II oder – zum Beispiel – Wohngeldberechtigte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG).

Zur Fragwürdigkeit sogenannter „Referenzgruppen“
Nun möchte ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich nicht diskutieren, daß ich selber es für einen ganz verqueren Gedankengang halte, das sogenannte „Existenzminimum“ dadurch eruieren zu wollen, daß man nach Bevölkerungs- gruppen Ausschau hält, die ‚irgendwo’ unten in der Einkommenshierarchie angesiedelt sind und es trotzdem ‚irgendwie’ hinbekommen, ihre existenz- sichernden Bedürfnisse zu befriedigen.

Leider, das Bundesverfassungsgericht hat das so beschlossen, und es hat damit den Weg zu einem Ermittlungsverfahren freigemacht, das viel eher zu Menschen führt, die gerade nicht auf der Höhe des Existenzminimums leben können.

Pointiert ausgedrückt: man schaut auf den Küchentisch der Armen, um festzu- stellen, was ausreichende Ernährung ist; man sucht in „Zilles Milljöh“ die Miet- höhle hinter dem vierten Hinterhof auf, um herauszufinden, was menschen- würdiges Wohnen ist. Gleichwohl bleibt eindeutig genug, was, dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zufolge, unter „Existenzminimum“ zu verstehen ist, und an dieser Stelle soll deswegen auch gleich aufgeräumt werden mit einer überaus populären Legende.

Was versteht das Bundesverfassungsgericht unter „Existenzminimum“?
Gemeinhin wurde und wird in den öffentlichen Diskussionen lediglich zweierlei unter „Existenzminimum“ verstanden – einmal die Sicherung der „physischen Existenz“ und zum anderen die berühmt-berüchtigte „soziokulturelle Teilhabe“. Falsch, wie ein Blick in das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zeigt!

Noch eine dritte Bestimmungsgröße gehört nach höchstrichterlicher Ansicht zum „Existenzminimum“ hinzu. Doch zitieren wir der Reihe nach, und zwar auf der Basis der Aussagen in Absatz 135 des Hartz-IV-Urteils. Demnach zählen zum „Existenzminimum“

- die erwähnte Sicherung der „physischen Existenz“, die Möglichkeit also für die Betreffenden, die Kosten für „Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unter- kunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit“ aufbringen zu können,

- das erwähnte „Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturel- len und politischen Leben“ (nebenbei: auch letzteres – die politische Teilhabemöglichkeit von TransferbezieherInnen fällt bei den öffentlichen Diskussionen über das „Existenzminimum“ zumeist unter den Tisch, was man durchaus bemerkenswert finden kann, denn schließlich handelt es sich bei der politischen Teilhabemöglichkeit nicht zuletzt um ein Grund- recht der Menschen in der Bundesrepublik!) sowie schließlich drittens

- die „Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen“ (hat da- rüber schon einmal jemand nachgedacht, im Zusammenhang von Hartz-IV, was das konkret zu bedeuten hat, wenn es zum Beispiel um Aufrechterhaltung der Kontakte zu Verwandten und Freunden geht, zu Menschen, die einem nahestehen, aber weit weg wohnen inzwischen, nicht in derselben Stadt also, wie man es selber tut – sagen wir: Kassel -, sondern beispielsweise in München oder Berlin? War jemals im alten Regelsatz auch nur ein einigermaßen angemessener Betrag für solche Reisekosten miteingerechnet worden, oder ist das nunmehr beim neuen Regelsatz der Fall? Bei einem Gesamtbetrag für Verkehrskosten pro Monat in der Höhe von 19,20 Euro – der Anfangsbetrag beim alten Re- gelsatz vom Januar 2005, ein Betrag, der für die meisten ALG-II-Bezie- herInnen nichtmal die Monatskosten für den Nahverkehr abdeckt?)

Das Verfassungsgerichtsgebot „Einzelfallabsicherung“
Kaum weniger wichtig als diese dreifache Definition des „Existenzminimums“ durch das Bundesverfassungsgericht am 9. Februar des Jahres war und ist in diesem Zusammenhang aber noch ein weiterer Punkt:

die Verpflichtung des Gesetzgebers durch das höchste Gericht darauf, dieses „Existenzminimum“ für jede Bürgerin und jeden Bürger in der Bundesrepublik sicherzustellen, nicht nur pauschal oder im Durchschnitt. So heißt es im Absatz 137 des Gerichtsurteils, daß dieser „gesamtexistenznotwendige Bedarf“ für „jeden individuellen Grundrechtsträger“ zu sichern sei.

Egal, wo eine(r) lebt – ob in der Großstadt mit „fußläufig“ erreichbaren fünf Supermärkten gleich um die Ecke oder auf dem Land, wo erst viele Kilometer mit dem Bus zurückzulegen sind, um die eigenen Einkäufe tätigen zu können -, jede und jeder hat Anspruch auf Gewährleistung seines jeweiligen Existenzminimums.

Wie gesagt: ob Benennung einer pauschal definierten „Referenzgruppe“ ohne qualitative Überprüfung der jeweiligen konkreten Lebenssituation im Einzelfall der sachangemessene Weg ist, Existenz oder Nichtexistenz des Existenzmini- mums innerhalb einer ganzen Bevölkerungsgruppe verifizieren zu können, das ist für mich mit mehr als nur einem Fragezeichen versehen.

Was aber in unserem Zusammenhang hier das Entscheidende ist: nichtmal die beiden Minimalforderungen des obersten deutschen Gerichts sind bei der Kleinrechnerei des neuen Regelsatzes eingehalten worden: einschränkungslos jedes Zirkelschlußverfahren zu vermeiden und auf keinen Fall irgendwelche BezieherInnen von Transferleistungen in die Ermittlung des neuen Regelsat- zes miteinzubeziehen.
Was auf der Website des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales dazu nachzulesen ist und demzufolge offenkundig die angewandte Rechenmethode zur Ermittlung des neuen Regelsatzes war, das ist nichts anderes und nichts weniger als ein Doppelverstoß gegen die Vorgaben des Bundesverfassungs- gerichts!

Der Auftrag der Bundesverfassungsgerichts, die Inflation zu berücksichtigen
Und damit zu einem weiteren – wahrlich nicht weniger bedeutungsvollen – Punkt, zu der Tatsache nämlich, daß die Ermittlung des neuen Regelsatzes auch gegen eine dritte Auflage der Karlsruher Richter verstoßen hat: gegen die Verpflichtung nämlich, beim Errechnen des neuen Regelsatzes ein- schränkungslos die Geldentwertungsrate mitzuberücksichtigen, und zwar – so das Gerichtsurteil wörtlich – „zeitnah“. Ich spreche hier von Absatz 140 des Bundesverfassungsgerichts-Urteils:

„Das < …> Ergebnis < = Höhe des Regelsatzes. HP> ist zudem fort- während zu überprüfen und weiter zu entwickeln, weil ein elemen- tarer Lebensbedarf eines Menschen grundsätzlich nur in dem Au- genblick befriedigt werden kann, in dem er besteht (vgl. BverfGK 5,237 <241>). Der Gesetzgeber hat daher Vorkehrungen zu treffen, auf Änderun-gen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel Preissteigerungen oder Erhöhungen von Verbrauchssteuern, zeit- nah zu reagieren, um zu jeder Zeit die Erfüllung des aktuellen Be- darfs sicherzustellen, insbesondere wenn er wie in § 20 Abs. 2 SGB II einen Festbetrag vorsieht.“

Um dem Argument irgendwelcher Schlaumeier gleich an dieser Stelle entgegen- zutreten, dem Mißverständnis nämlich, hier habe das Bundesverfassungsgericht doch „nur“ von einer Anpassungsklausel für die Zukunft gesprochen, die Neu- festsetzung des Regelsatzes im Jahre 2010 sei aber von dieser Verfassungs- pflicht noch ausgenommen.

Anders also: bei der Ermittlung des neuen Regelsatzes dürfe durchaus noch auf völlig veraltetes Zahlenmaterial zurückgegriffen werden, auf Preisindices, die womöglich schon seit Jahren der Realität nicht mehr entsprechen.

Ein Irrtum: erstens stellt die Neufestlegung des Regelsatzes jetzt aus der Zeit- perspektive dieses Urteils vom 9. Februar bereits eben diese Zukunft dar. Zwei- tens läßt das logische Stimmigkeitsgebot, dem noch jedes Gesetzeswerk un- terworfen ist, eine derartige Trickserei nicht zu, man könnte auch drastischer formulieren, Willkür nach dem Motto „mal so – mal so“.

Drittens hätte diese Ausnahme von der Regel, wie sie vom Bundesverfassungs- gericht dem Gesetzesgeber im Februar dieses Jahres auferlegt worden ist, aus- drücklich in den Urteilstext mit aufgenommen werden müssen. Und viertens: der zitierte Passus aus dem Bundesverfassungsgerichts-Urteil vom 9. Februar ent- hält ja selber bereits die entsprechenden Gegenbelege:

- „zu jeder Zeit“, so heißt es da, habe der Gesetzgeber diese Anpas- sung ans aktuelle Preisniveau zu realisieren, und er habe dieses durch entsprechende „Vorkehrungen“ sicherzustellen, zu zeitlich vorausgehenden Maßnahmen also, die eine solche Regelsatzauf- besserung jederzeit ermöglichen würden.

Mit einem Wort: selbstverständlich war die Bundesregierung auch jetzt bereits verpflichtet, dieser Auflage des Bundesverfassungsgerichts zu folgen. Ebenso deutlich ist aber: der Gesetzgeber ist mit dem neuen Regelsatzentwurf genau diesem Korrekturgebot, das ihm am 9. Februar des Jahres auferlegt worden ist, nicht gefolgt. Ein weiterer Verstoß gegen die Auflagen des Bundesverfassungs- gerichtes mithin.

Und mehr noch: eine nur noch zynisch zu nennende Verkehrung dieses Korrek- turgebotes ins Gegenteil, denn das Bundessozialministerium hat gegenüber dem 1. Januar 2005 den Regelsatz nicht nur nicht an die mittlerweile eingetrete- ne Inflationsentwicklung angepaßt (und übrigens auch an die Erhöhung der Ver- brauchssteuern im Jahre 2007 nicht), das Bundessozialministerium hat sogar den Regelsatz aus dem Jahre 2005 drastisch zusammengestrichen und ge- kürzt. Doch konkret:

Der neue Regelsatz: Reduktion, nicht Anhebung des Sicherungsniveaus
Was die Inflationsentwicklung während des Zeitraums 1. Januar 2005 bis jetzt, Ende September 2010, betrifft, stiegen die Preise um 11,18 Prozent. Heißt: der damaligen Höhe des Regelsatzes von 345,- Euro entspräche heute ein Betrag von 383,57 Euro. Noch einmal: ohne daß darin auch nur ein Cent realer Kaufkraftverbesserung enthalten wäre!

Das bedeutet aber zweitens: da der Gesetzgeber nur eine „Anhebung“ des alten Regelsatzes auf 364,- Euro beschlossen hat, ist damit realiter eine Kürzung des Regelsatzes beschlossen worden, und zwar um rund 5 Prozent, wenn man den Anfangssatz von 2005 zugrundelegt! Das heißt: die jetzige Maßnahme (so sie in Kraft treten sollte!) entspräche einer Reduktion des damaligen Regelsatzes (= 345,- Euro) um 17,25 Euro.

„Im Lichte“ der Entscheidung jetzt hätte Hartz-IV am 1. Januar 2005 demzufol- ge nur mit einem Regelsatz von 327,75 Euro starten dürfen! Absurd!

Denn noch einmal: keiner bestreitet die Preissteigerungen seither (es sind offizielle Daten, alljährlich nach Ablauf eines Kalenderjahres der Öffentlichkeit mitgeteilt vom Statistischen Bundesamt), und außerfrage steht zum zweiten das Anpassungsgebot, das die Karlsruher Richter am 9. Februar dieses Jahres ver- kündet haben, im zitierten Absatz 140.

Herausgekommen ist jedoch bei der Herumrechnerei der schwarzgelben Koali- tion eine Reduktion des Regelsatzes um 5 Prozent beziehungsweise – in Euro und Cent ausgedrückt, bezogen auf den Zeitpunkt jetzt – eine Kürzung des Regelsatzbetrages real um fast 20,- Euro, nämlich um präzise 19,57 Euro!

Doch in Wahrheit stellt sich die Sache noch viel schlimmer dar.
Freilich: um dieses zu verstehen, muß die bisher (auch von mir!) zugrundegeleg- te Inflationsentwicklung von 11,18 Prozent während der Jahre 2005 bis jetzt noch genauer unter die Lupe genommen werden.

Um es jetzt schon zu sagen: diese Zahl 11,18 Prozent beschönigt die tatsäch- liche Entwicklung noch, und zwar ganz gewaltig. In Wirklichkeit sieht alles noch viel schlimmer und dramatischer aus – und damit erweist sich der Verstoß des Gesetzgebers auch gegen die Anpassungsklausel des Bundesverfassungsge- richts als noch gravierender, als jetzt bereits zutagegetreten ist.

Wieso dieses? – Nun, aus dem folgenden Grund:
Noch ein Problem: die ‚gespaltene’ Preisentwicklung seit 2005. Die bislang zugrundegelegte Inflationsziffer stellt nur den Mittelwert aller Preis- entwicklungen dar, die während der Jahre 2005 bis jetzt vonstattengegangen sind. In Wirklichkeit aber sind in dieser Inflationsziffer von 11,18 Prozent auch erhebliche Preiseinbrüche enthalten, gesunkene Preise, nicht nur Teuerungs- raten. Konkret:

Im genannten Zeitraum sind zum Beispiel hochwertige Elektronik-Artikel immer billiger geworden, Fernreisen, Pelzmäntel und andere Edel-Produkte – im Ge- gensatz zu enormen Preisanstiegen bei Nahrungsmitteln etwa und Ausgaben für Gesundheitszwecke, die nicht mehr von den Krankenkassen übernommen werden ( Stichworte: „Praxisgebühr“, „Zuzahlungen“, Preisentwicklungen bei Arzneimitteln allgemein). Pointiert ausgedrückt, heißt das aber: Das luxuriöse Leben der Reichen ist immer billiger geworden, das ärmliche Leben der Armen immer teurer!

Oder anders formuliert: de facto hatten wir es in den letzten sechs Jahren mit einer gespaltenen Preisentwicklung zu tun. Ausgerechnet innerhalb jenes Ver- brauchersegments, das einzig und allein den ALG-II-BezieherInnen noch zu- gänglich ist, stiegen die Kosten für die Lebenshaltung ganz gewaltig an. Und ausgerechnet diese erheblich höheren Preissteigerungen ausgerechnet für die Ärmsten der Armen verschweigt die offizielle Inflationsstatistik mit ihren alljährlich verkündeten Mittelwerten einschränkungslos!

Wobei wir durchaus über seröse wissenschaftliche Erkenntnisse verfügen, was bei den Preisen „ganz unten“ losgewesen ist, während der letzten fünf bis sechs Jahre Und sogar eine eigene Erhebung von mir, vorgenommen im Sep- tember des Jahres 2008, fördert weiteres erschreckendes Zahlenmaterial zu- tage. Doch der Reihe nach:

Zu sprechen ist zunächst von den Forschungsergebnissen des an der Schweizer Universität Fribourg tätigen Finanzwissenschaftlers und Statistikexperten Prof. Dr. Hans Wolfgang Brachinger (gleichzeitig Präsident der Schweizerischen Bun- desstatistikkommission). Seit Jahren untersucht dieser Fachgelehrte in Koopera- tion mit dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden die Entwicklung der Preise in der Bundesrepublik. Resultat seiner Inflationsanalysen:

Im Durchschnitt dürften seit Hartz-IV-Beginn die Preise im unteren Waren- und Dienstleistungssegment jährlich um sechs bis acht Prozent angestiegen sein, das entspricht einem Preisanstieg im Gesamtzeitraum 1. Januar 2005 bis 30. September 2010 von 46,61 Prozent und hätte bedeuten müssen, daß der heu- tige Regelsatz unterdessen angehoben worden wäre auf 505,81 Euro (noch- mal: ohne jeglichen realen Wertsteigerungseffekt!). Heißt andersherum: die 364,- Euro, welche die Bundesregierung nunmehr den ALG-II-BezieherInnen noch zubilligen möchte, stellt realiter eine dramatische Kürzung des Regelsatzes dar, und zwar um rund 28 Prozent bzw. 141,81 Euro gegenüber dem Jahr 2005.

Brachinger wörtlich, vor wenigen Tagen in einem Gastbeitrag für die Presseagentur Reuters:
„Der Hartz-IV-Satz stellt ein Existenzminimum dar. Er sollte an einen Preisindex gekoppelt werden, der auf den Hartz-IV-Waren- korb zugeschnitten ist. Das wäre stastistisch ohne weiteres machbar.“

Zahlen und Aussagen, denen man nicht glauben mag? – Nun, pikanterweise hat Brachinger ausgerechnet Schützenhilfe erhalten von einem sogenannten „Botschafter“ der wichtigsten Propagandazentrale für den Neoliberalismus in der Bundesrepublik, der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM). Die Rede ist von dem Hamburger Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Thomas Straubhaar, Ordinarius an der Universität der nordischen Hansestadt und gleichzeitig Leiter des „Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts“ (HWWI).

Wie Brachinger hat Straubhaar konstatiert, aufgrund der gespaltenen Preis- entwicklungen – Entlastungen oben, enorme Kostenzuwächse unten -, es fände ein „Umverteilungsprogramm zu Lasten der Schwächsten der Gesellschaft“ statt. Selbst „Welt-Online“ – wahrlich kein linksradikaler Informationsdienst im Internet, genausowenig wie die britische Presseagentur „Reuters“ – stellte dazu fest, in der Ausgabe vom 12. Juli 2008:
„Die hohe Inflation spaltet die Gesellschaft.“

Und weiter:
“Nicht nur die Höhe der Teuerung ist besorgniserregend. Viel schlimmer ist, dass die Geldentwertung ausgerechnet die Ge- ringverdiener über Gebühr belastet.“

Kaum glaublich, aber wahr: selbst „Reuters“ und „Welt“, selbst jeglicher Links- tendenzen unverdächtige Wirtschaftswissenschaftler wie Straubhaar und Bra- chinger, bestätigen den Befund: die gespaltene Preisentwicklung in der Bun- desrepublik spaltet zusätzlich die Gesellschaft in Gewinner und Verlierer auf. Da bedarf es nicht einmal zynischer und verfassungswidriger Regelsatzent- scheidungen der schwarzgelben Koalition.

In den Worten des „Welt“-Artikels, gemünzt auf die Situation im Jahre 2008:
„Gut kommen lediglich die Topverdiener davon. Ihre Inflations- belastung beträgt nur 2,4 Prozent und damit ganze drei Prozent- punkte niedriger als die Inflationslast, die die Ärmsten im Land schultern müssen.“

Anders gesagt: die Belastung der Ärmsten war damit mehr als doppelt so hoch als die Belastung der Reichsten im Land. Das bedeutet aber in unserem Zusammenhang: seit Jahren vorliegende Forschungsergebnisse zur Preisent- wicklung haben die Errechner des neuen Regelsatzes einfach nicht zur Kenntnis genommen. Mit äußerster Brachialität setzen sie ihr Verelendungsprogramm gegenüber den Ärmsten der Armen fort. Daß der neue Regelsatz von 364,- Euro das Existenz- minimum der Hartz-IV-Betroffenen absichern würde: bloße Behauptung, sonst nichts!

Kann sich das ein Bundesverfassungsgericht bieten lassen, das gleich dreifach die Untergrenze eines menschenwürdigen Lebens definiert hat:

1. als Sicherung der physischen Existenz
2. als Sicherung der zwischenmenschlichen Beziehungen
3. als Sicherung der sozialen, politischen und kulturellen Teilhabe

Kann sich das ein Bundesverfassungsgericht bieten lassen, das ausdrücklich den Gesetzgeber damit beauftragt hatte, mit statistischer Zuverlässigkeit den neuen Regelsatz anzupassen an die inzwischen eingetretenen Preissteige- rungsraten?

Das Ergebnis einer eigenen Gegenstudie zur Inflation bei Nahrungsmitteln
Doch damit noch zu einem letzten Beleg dafür, daß es bei der Neufestlegung des Regelsatzes nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, zu einem letzten Nachweis, daß in Wahrheit mit diesen 364,- Euro eine gewaltige Reduktion der Mindestsicherung für die Ärmsten der Armen durchgesetzt werden soll – durch- gesetzt werden soll sogar gegen vielfache Auflagen des Bundesverfassungs- gerichts:

Viele haben noch die merkwürdigen Berechnungen des Herrn Prof. Dr. Friedrich Thießen (mitsamt seines Schreiberkollegen, des Diplomkaufmanns Christian Fischer) in Erinnerung, vorgelegt in einer Studie im Spätsommer 2008.

Da hat dieser akademische Lehrer für Investmentbanking, Inhaber eines com- merbank-finanzierten Lehrstuhls an der Chemnitzer Uni, den gesamten Lebens- bedarf von ALG-II-BezieherInnen heruntergerechnet auf einen Betrag von 132,- Euro pro Monat, darin enthalten ein Gesamtbetrag von 68,09 Euro, der angeb- lich ausreichend sei, sich davon einen ganzen Monat lang ausreichend ernähren zu können.

Die entsprechende Preisauflistung, beginnend mit Brot und Nudeln, endend mit Speiseöl und Margarine, hatten die beiden Rechenkünstler aus der vormaligen Karl-Marx-Stadt gleich beigefügt, einen Nahrungsmittelkatalog von insgesamt 26 Einzelposten. 68,09 Euro, wie gesagt, sollten den gesamten Ernährungsbe- darf eines Menschen pro Monat decken können, erhoben diese Preise im Mai 2006, bei Discountern vor allem, bei ALDI und Co mithin.

Nun, im September 2008, gut zwei Jahre später also, wenige Tage nach Veröf- fentlichung dieser Studie im Internet, unterzog ich mich der Mühe, mit genau dieser Warenliste sämtliche Preisangaben aus dem Jahre 2006 zu überprüfen bzw. den aktuellen Preisstand zu ermitteln.

Gemeinsam mit dem Leiter einer ALDI-Filiale in Bovenden – einer Ortschaft unweit von Göttingen, der südniedersächsischen Universitätsstadt – ging ich also an diesem Vormittag, den 10. September 2008, von Regal zu Regal und notierte die Lebensmittelpreise dieses Billigstanbieters in unserer Region schlechthin (Preise übrigens, die selbstverständlich gültig waren für die gesamte Filialkette von ALDI-Nord an diesem Tag). Resultat: Der Filialleiter und ich ermittelten an diesem Mittwoch einen Gesamtwarenwert von 96,06 Euro für die von den Chemnitzer Herren aufgezählten Lebensmittel, nicht 68,09 Euro.

Heißt: allein innerhalb dieses Zweijahreszeitraums waren die entsprechenden Preise für den alltäglichen Nahrungsbedarf angestiegen um 42 Prozent (Genau- eres kann dazu nachgelesen werden in meiner Gegenstudie „Das Menschenver- nichtungspapier“, auch jetzt noch an vielen Stellen nachzulesen im Internet).

Abgesehen davon, daß sich – nicht nur in dieser Hinsicht – die sogenannte Thie- ßen/Fischer-Studie als völliger Blödsinn erwies, deren Zahlenmaterial als völlig veraltet: auch meine Zufallsstichprobe vom 10. September 2008 bestätigte damit ohne jede Einschränkung die dramatischen Preissteigerungen gerade im untersten, im unvermeidbaren Verbrauchsgüterbereich, sie erbrachte ein Ergebnis, das sich mit den Aussagen von Brachinger und Straubhaar ohne Ein- schränkung deckt. Und man übersehe bitte nicht: der von mir ermittelte Preisanstieg bezog sich lediglich auf einen Zeitraum von gut zwei Jahren, nicht aber auf den hier zur Rede stehenden Gesamtzeitraum der Hartz-IV-Regelungen vom 1. Januar 2005 an bis jetzt!

Denn es dürfte ja klar sein: selbstverständlich hatte es auch vor dem Mai 2006 – dem Untersuchungszeitraum der Thießen/Fischer-Studie – bereits Preiserhö- hungen bei Lebensmitteln gegeben, und auch mit Datum 10. September 2008 – meinem Stichtag – hörte diese Inflationsentwicklung natürlich nicht auf.

Kurz: im Gesamtzeitraum 2005 bis 2010 hat die tatsächliche Geldentwertungs- rate im Verbrauchsgüterbereich Ernährung noch um ein Erhebliches höher ge- legen, als ich an diesem Mittwochvormittag nachweisen konnte. Womit ich auch bei den Schlußfolgerungen und bei meinem Fazit bin:

Schlußfolgerungen: Verfassungsbeschwerde erforderlich
1. Solange alle diese einschlägigen Zahlen vom Gesetzgeber nicht auf den Tisch gelegt worden sind, kann von einem „transparenten“ Ermittlungsverfahren beim neuen Regelsatz keinerlei Rede sein.

Also auch hinsichtlich dieser Transparenz-Forderung verstößt das, was die Bundesregierung am 26. September dieses Jahres vorgelegt hat, aufs deut- lichste gegen die Forderungen, die das Bundesverfassungsgericht am 9. Fe- bruar dieses Jahres in seinem Urteil dem Ge- setzgeber mit auf den Weg ge- geben hat.

2. Der neue Regelsatz von 364,- Euro stellt, so er politisch durchgesetzt werden sollte, eine dramatische Reduktion der sogenannten „Grundsicherung“ dar, wie sie erstmals – damals bereits ungenügend! – zum 1. Januar 2005 festgelegt worden ist. Reichte schon damals das Geld nicht und orientierte sich schon da- mals der Regelsatz nicht an den Erfordernissen für ein reales Existenzmini- mum, so tut dieses der neue Regelsatz noch weniger, als es der alte Regelsatz aus dem Jahre 2005 tat.

3. Eindeutig verstößt der neue Regelsatz bei seiner Ermittlung und in dessen Höhe gegen die Gebote des Bundesverfassungsgerichts, wie sie in seinem Ur- teil vom 9. Februar dieses Jahres festgelegt worden sind: er wurde zumindest partiell nach dem verbotenen Zirkelschlussverfahren errechnet, er sichert nicht das Existenzminimum auch im Sinne der Einzelfallgewährleistung ab, er hat nicht die Geldentwertungsprozesse berücksichtigt, und er vermag nicht einmal annäherungsweise das dreifach vom Bundesverfassungsgericht definierte Existenzminimum sicherzustellen.

Kurz: wenn die Oppositionsparteien diese dramatischen und gravierenden Mängel und Fehler, Unterlassungen und Verfassungsverstöße nicht aufgreifen sollten, wenn sie diesen weiteren Verelendungsfortschritt von Millionen von Menschen nicht aufhalten, sondern widerspruchslos hinnehmen sollten, ohne Widerstand und ohne Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht, dann wird die soziale Spaltung in diesem Lande noch größer werden, als sie es ohnehin schon ist, dann wird noch mehr Angst aufkommen bei Prekär-Beschäftigten vor dem Absturz in Hartz-IV, dann wird noch mehr Duckmäusertum bei den vielen Noch-Erwerbstätigen entstehen.

Und: die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Ursula von der Leyen, wird ihre derzeit noch beobachtbaren Nervositäten und hektisch-herumeiernden Diskussionsstrategien bei den diversen Talkshow-Runden in aller Ruhe ablegen können.

Wieder einmal droht Politik, angeblich betrieben im Sinne von Humanität und im Interesse der Menschen, die Menschen zu besiegen und die Humanität. Bezie- hungsweise, anders gesagt: die Bundesrepublik, eine der reichsten Nationen der Welt, wird immer mehr ein Land voll bitterster Armut sein.

Quelle: gegen-hartz.de – 05.10.2010 – Holdger Platta
Link zum Pressebericht: www .gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-kleinrechnerei-als-grossbetrug-3662.php

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ALG II: Kein Garten, aber jede Menge Mineralwasser.

Mittwoch, Oktober 20th, 2010

Die neuen Regelsätze sind festgelegt und der Referentenentwurf bietet ein paar nette Schmankerl zum Thema: “Was ist regelsatzrelevant?”

Vorab: Da der Referentenentwurf zum Thema “Neuberechnung der Regelsatz bei ALG II” sehr umfangreich ist (zwar nur 74 Seiten, diese jedoch voller Zahlen und Daten und den üblichen juristischen Schachtelsätzen), ist dieser Blogbeitrag nur eine spontane Wiedergabe der Aspekte, die mir schon jetzt aufgefallen sind.

(Hinweis: Beim Thema “Mineralwasser” wurde der in Fettschrift gezeigte Abschnitt eingefügt, nachdem mich ein Forumteilnehmer darauf aufmerksam machte, dass der Abschnitt bisher irreführend war. Ich bitte dafür um Entschuldigung.)

Es gibt kein Bier…
Tabak und Alkohol wurden nunmehr aus den Regelsätzen herausgerechnet. An deren Stelle gibt es substituierende alkoholfreie Getränke, also keine 8,11 Euro mehr für alkoholische Getränke, dafür aber 2,99 Euro für substitutionierendes Mineralwasser:

Nach der Sonderauswertung wurden für Einpersonenhaushalte der Referenzgruppe im Jahr 2008 durchschnittliche Verbrauchsausgaben von 8,11 € für alkoholische Getränke ermittelt. Davon entfielen – nach dem Wägungsschema des allgemeinen Preisindex – rechnerisch 11,35 % für Spirituosen, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht dem Zweck der Flüssigkeitsaufnahme dienen. Es verbleiben dann von den 8,11 € noch 7,19 € für alkoholische Getränke, die durch alkoholfreie Getränke zu substituieren sind.

Es gibt für die Umrechnungen des Preises alkoholischer in alkoholfreie Flüssigkeitsmengen keine Vorgaben, so dass hier eine Plausibilitätsrechnung erforderlich ist. Für 7,19 € lassen sich etwa 12 Liter preiswertes Bier kaufen.

Ausgehend von 12 Litern Flüssigkeitsbedarf ergibt sich das maximal durch alkoholfreie Getränke zu substituierende Flüssigkeitsvolumen. Da die Flüssigkeitsmenge mit einem preisgünstigen Getränk berechnet wurde, ist es angemessen, auch die alkoholfreien Getränke mit dem niedrigpreisigem Mineralwasser anzusetzen.

Für die anzusetzenden 12 Liter Mineralwasser wurde ein Betrag von 2,99 € eingesetzt, für den Supermärkte flächendeckend eine entsprechende Menge Mineralwasser anbieten. Legt man die Preise der preisgünstigen Discounter für 1,5 Liter Mineralwasserflaschen zugrunde, ergibt sich für 12 Liter Mineralwasser sogar nur ein Preis von 1,52 €. Bei den als regelbedarfsrelevant berücksichtigten 2,99 € ist also bei preisbewusstem Einkauf durchaus Spielraum für Saft oder andere alkoholfreie Getränke.

Garten? Wer braucht das schon?
Im System der Mindestsicherung ist die Unterhaltung eines Gartens als nicht existenzsichernd zu bewerten. Deswegen werden in der Abteilung 05 die Position “Nicht motorbetriebene Gartengeräte” nicht als regelbedarfsrelevant angesehen, die Position “Motorbetriebene Werkzeuge und Ausstattungsgegenstände für Haus und Garten” werden um die Ausgaben für Gartengeräte bereinigt.

If I had a hammer…
Die Position “Fremde Reparaturen an Handwerkzeugen” wird im Unterschied zur Sonderauswertung EVS 2003 nicht mehr als existenzsichernd berücksichtigt. Reparaturen sind nur bei teuren Werkzeugen wirtschaftlich vertretbar. Besitz und Nutzung solcher Werkzeuge sind jedoch in der Durchschnittsbetrachtung bei Leistungsberechtigten nach dem Zweiten und Zwölften Buch nicht zu unterstellen.

Vielen Dank für die Blumen
Die Position “Schnittblumen und Zimmerpflanzen” gehören nicht zum erforderlichen Grundbedarf und sind nicht existenzsichernd. Sie werden deshalb auch nicht mehr für den Regelbedarf berücksichtigt.
Demnächst gibt es doch das Bildungspaket

Die Position “sonstige Verbrauchsgüter” (u.a. Schreibwaren und Zeichenmaterial) ist nur für Kinder bis 5 Jahre voll regelbedarfsrelevant. Da Kinder von 6 bis 17 Jahren diese Güter gesondert über das Schulbasispaket erhalten, werden diese Ausgaben für diese Altersgruppe nicht bei der Ermittlung des Regelbedarfs berücksichtigt.

Da das Teilhabepaket für alle Kinder die Ausgaben für “Außerschulischen Unterricht und Hobbykurse” umfasst, werden diese für Kinder und Jugendliche nicht als Regelbedarf berücksichtigt.

Ach ja: ein Konto muss für Kinder auch nicht mehr sein. Kinder heißt übrigens: bis 18 Jahre.

Quelle: heise.de – 27.09.2010 – Twister (Bettina Winsemann)
Link zum Pressebericht: www .heise.de/tp/blogs/5/148456

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Zulage zum Arbeitslosengeld II – Der kleinste Nenner

Mittwoch, Oktober 20th, 2010

BERLIN/MZ. Während sich die Spitzen der Koalitionsparteien am Sonntagnachmittag noch durch den Regen und die Absperrungen des Berlin-Marathons zum Kanzleramt bewegen, macht das wichtigste Ergebnis ihrer Beratungen schon die Runde: Fünf Euro Erhöhung und keinen Cent mehr für die knapp fünf Millionen erwachsenen Hartz-IV-Empfänger. So lautet der Vorschlag der Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU), und so wird es dann auch beschlossen.

Schnelle Runde

Um kurz nach halb drei ist die Runde mit diesem Thema durch. Die Unionsseite hatte ohnehin von vornherein eine Frist gesetzt: Für 17 Uhr waren ihre Präsidien zu einer gemeinsamen Sitzung in Berlin einberufen. Man hatte also maximal viereinhalb Stunden Zeit. Der straffe Ablauf passt zu dem neuen Bild, das die Koalition von sich zeichnen möchte: sachorientiert und entscheidungsstark. Ganz gelungen ist es freilich nicht. Über die von der FDP gewünschte Ausweitung der Zuverdienstmöglichkeiten für Hartz-IV-Empfänger konnten sich die Koalitionäre nicht einigen. Hier muss nun eine Arbeitsgruppe bis spätestens zum 16. Oktober eine Lösung erarbeiten. An diesem Tag will sich die schwarz-gelbe Koalitionsspitze erneut mit dem Thema befassen, bevor das Kabinett am 20. Oktober den ganzen Komplex verabschiedet.

Fünf Euro, das passt auch gerade noch ins Maß des CSU-Chefs Horst Seehofer, der verkündet hatte, am liebsten würde er die Arbeitslosenhilfe gar nicht anheben. “Der Sozialstaat darf nicht aus dem Ruder laufen, er muss bezahlbar bleiben”, sagte er. Der Vorstoß Seehofers entlastete zugleich den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle und die gemeinsame Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel. Denn schließlich hatte Westerwelle die politischen Debatten des Jahres über Hartz IV mit seinen Bemerkungen über leistungsloses Einkommen und spätrömische Dekadenz eingeleitet. Er konnte einer großzügigen Erhöhung dieses weitgehend leistungslosen Einkommens also schon aus Gründen der Achtung vor seiner früheren Argumentation gar nicht zustimmen. Deshalb stand Merkel im Verdacht, unter dem Druck ihres Koalitionspartners zu handeln.

Genauso stellt es der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel gleichwohl dar. Ihm wird die Nachricht aus dem Kanzleramt während seiner Rede vor dem SPD-Parteitag in Berlin zugesteckt, und flugs baut er sie in seine Attacken auf die Koalition ein: Westerwelle zum Jahresanfang habe eine schamlose Debatte über Hartz-IV-Empfänger geführt und könne nun einer deutlichen Erhöhung im Kabinett nicht zustimmen. “Und Merkel macht dieses schäbige Spiel mit.”

Merkel wehrt sich

Jene selbst sieht das natürlich völlig anders: “Wir haben eine Lösung gefunden, die sachgerecht ist”, sagt sie. “Wir sind hier einen sehr, sehr großen Schritt gegangen.” Das Hauptaugenmerk liege nun darauf, “die Dauer von Hartz IV so kurz wie möglich zu halten”. Ziel sei, Anreize für Arbeit zu schaffen.

Die Koalition hatte sich seit Tagen bemüht, die Erwartungen an eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze herunter zu moderieren. Erst weniger als 20 Euro, dann bestenfalls zehn, und nun die beschlossenen fünf Euro. Immerhin setzt von der Leyen durch, dass die Kindersätze erst einmal nicht gesenkt werden. Der Aufschrei in der Öffentlichkeit wäre für die Koalition wohl doch zu laut geworden.

Quelle: mz-web.de – 26.09.10 – VON HOLGER SCHMALE
Link zum Pressebericht: www .mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid=1277474084661

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