Wirtschaftsweise lehnen höhere Hartz-IV-Sätze ab

Auch der Streit über Gutschein-Modell für bedürftige Kinder geht weiter

Berlin – Der Chef der Wirtschaftsweisen, Wolfgang Franz, lehnt in der Hartz-IV-Debatte Forderungen nach höheren Regelsätzen ab und fordert zugleich eine Arbeitspflicht für Hilfsempfänger. “Mit höheren Unterstützungszahlungen vermindern sich insbesondere für Geringqualifizierte mit Kindern die Anreize, sich auf dem ersten Arbeitsmarkt intensiv um einen Arbeitsplatz zu bemühen und gegebenenfalls auch weniger attraktive Jobs anzunehmen”, sagte Franz der “Leipziger Volkszeitung”. Der Wirtschaftsweise Christoph Schmidt sprach sich ebenfalls gegen höhere Regelsätze aus. Ein geringerer Abstand zum Arbeitseinkommen würde “die Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz einschränken”, sagte er der “Bild”-Zeitung.

Im vergangenen Februar hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Hartz-IV-Regelsätze für Erwachsene und Kinder für verfassungswidrig erklärt und eine Neuregelung bis zum 1. Januar 2011 gefordert. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts hatten in ihrer Entscheidung allerdings ausdrücklich offengelassen, ob die Regelsätze erhöht werden müssen. Sie kritisierten vielmehr die Berechnungsgrundlage als intransparent.

Wirtschaftsweisen-Chef Wolfgang Franz bezeichnete eine Koppelung der Hartz-IV-Sätze an die Inflationsrate als falsch, wie es aus der Opposition gefordert wird. Eine inflationsbedingte Erhöhung der Sozialleistungen müsste über Steuern finanziert werden. “Dann muss der Staat an anderer Stelle Ausgaben kürzen oder Steuern erhöhen.” Der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim (ZEW) fordert statt einer Leistungserhöhung die Flexibilisierung der Hartz-IV-Sätze verbunden mit einer Arbeitspflicht. Wer nicht arbeiten wolle, müsste Hartz-IV-Kürzungen hinnehmen. Arbeitswillige Hilfsempfänger sollten dagegen mehr als bisher von ihrem Verdienst behalten dürfen.

SPD-Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier rechnet dagegen künftig mit höheren Hartz-IV-Sätzen für Kinder. “Ich glaube, dass man daran kaum vorbeikommt”, sagte Steinmeier im Deutschlandfunk. Die Regierung solle ihre Hausarbeiten machen und Zahlenmaterial vorlegen. Damit werde man sich dann auseinandersetzen.

Gestritten wird im Zuge der Neuregelung auch weiterhin über die Frage, ob Kinder aus Hartz-IV-Haushalten “Bildungsgutscheine” erhalten sollen. Der frühere Familienminister von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet (CDU), unterstützt dabei die Pläne von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), solche Gutscheine einzuführen. “Gerechtigkeit für Kinder stellt man her, indem man die Bildungschancen für sie erhöht”, sagte Laschet der WELT. “Das tun Bildungsgutscheine mehr als die Auszahlung von Bargeld.” Ein Gutscheinsystem diskriminiere Kinder aus Hartz-IV-Haushalten auch nicht, sondern könne vielmehr die Eltern auch gezielt auf Bildungsangebote wie Musikkurse aufmerksam machen. “Das halte ich für einen zutiefst bürgerlichen Politikansatz”, betonte Laschet.

Er widersprach damit der bayerischen Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU), die Gutscheine als “diskriminierend” ablehnt. “Gutscheine bergen ein kollektives Misstrauensvotum gegen Langzeitarbeitslose”, sagte Haderthauer der “Berliner Zeitung”. Das sei kein “bürgerlicher Politikansatz”. Auch würden “bildungsferne Problemfamilien” Kinder nicht in den Musikunterricht schicken, nur weil sie plötzlich einen Gutschein haben. “Der verschwindet dann eben in irgendeiner Schublade”, mutmaßt die CSU-Politikerin.

Quelle: welt.de – 09.08.10 – Von Miriam Hollstein
Link zum Pressebericht: www .welt.de/die-welt/politik/article8898975/Wirtschaftsweise-lehnen-hoehere-Hartz-IV-Saetze-ab.html

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