Zum Erleben zu wenig

Die niedrigen Hartz-IV-Sätze schließen Kinder von kulturellen und sportlichen Aktivitäten aus

Gerade mal drei Euro täglich müssen reichen für die Ernährung von Kindern zwischen sechs und 13 Jahren. Mehr Geld ist nicht vorgesehen, wenn Eltern Hartz IV beziehen. Als Anteil für das Mittagessen steht somit ein Betrag von rund 1,20 Euro zur Verfügung.

Vor zwei Jahren versuchte der umstrittene SPD-Politiker Thilo Sarrazin anhand von Rezepten vorzurechnen, dass man sich von solchen Sätzen ‘vollständig, gesund und wertstoffreich’ ernähren kann. Dabei hatte das Forschungsinstitut für Kinderernährung der Universität Bonn bereits den Aufwand für eine ‘optimierte Mischkost’ mit Testkäufen ermittelt. Das Ergebnis war niederschmetternd, selbst wenn nur beim Discounter eingekauft wird: ‘Für Empfänger von Arbeitslosengeld II ist es kaum möglich, ihre Kinder ausgewogen und gesund zu ernähren.’ Selbst mit Aufbietung allergrößter Selbstdisziplin kann es kaum gelingen – Selbstdisziplin, die viele Menschen auch dann nicht aufbringen, wenn sie bessere Lebensperspektiven haben als ein Langzeitarbeitsloser. Das Wirtschaften mit wenig Geld setzt außerdem umfassende Markt- und Kochkenntnisse voraus, Fähigkeiten mithin, die vielen Menschen abgehen, weil ihnen weder Elternhaus noch Schule beim Erwerb solcher Lebenstechniken eine Hilfe waren.

So reißen Ausgaben für das Essen oft größere Löcher in die Haushaltskasse als vorgesehen. Dann aber fehlt wieder Geld für anderes, denn die Budgets für Bekleidung oder Schulmaterialien sind auch nicht üppiger bemessen. Für Kleidung und Schuhe sind rund 25 Euro monatlich bei 6- bis 13-Jährigen vorgesehen, für Bücher, Schreibwaren, Schulsachen, Freizeit und Sport knapp 29 Euro. Wenn künftig Bildung, Freizeit- und Sportaktivitäten auf Chipkarten zweckgebunden den Kindern zugewiesen werden, wie von Bundesarbeitsministerin von der Leyen (CDU) angestrebt, sieht das auf den ersten Blick nach einer sinnvollen Lösung aus. Doch gerade den Kindern aus Elternhäusern, die damit überfordert sind, die Entwicklung ihrer Kinder zu fördern, wird es wenig nützen. Denn das bedeutet noch lange nicht, dass die Kinder die Leistungen in Anspruch nehmen, weil dazu auch immer Eltern gehören, die ihre Kinder motivieren.

Das belegen die Erfahrungen des Sozialreferats, das ein System von freiwilligen Leistungen für Hilfebedürftige geschaffen hat, das nicht hinter der landauf, landab diskutierten elektronischen Hilfsvariante Stuttgarts mit ‘Familiencard’ und ‘Bonuscard’ zurückbleibt, deren Einführung nun auf Antrag der Rathaus-CSU geprüft werden soll. Der München Pass, vergleichbar mit der Bonuscard in Stuttgart, ermöglicht knapp 100000 Hilfebedürftigen, darunter 21600 Kindern, eine Vielzahl von Vergünstigungen bei MVV, Museen, Sportstätten, Schwimmbädern, Tierpark, Volkshochschule, Kinos und Theatern. Rund fünf Millionen Euro gibt die Stadt dafür aus, um München-Pass-Inhabern ein preiswertes Sozialticket bieten zu können, weil der im Regelsatz für Fahrtkosten enthaltene Betrag für eine Großstadt viel zu niedrig angesetzt ist. Um bedürftige Familien zu entlasten, zahlt die Stadt seit 2007 zur Einschulung 100 Euro, weil die Ausstattung eines Erstklässlers im Regelsatz nicht berücksichtigt ist. Mehr als jedes vierte Kind, das eine Krippe besucht, und fast jedes dritte Kind, das einen Kindergarten oder Hort besucht, ist wegen des geringen Jahreseinkommens der Eltern von Besuchsgebühren ganz befreit.

Nicht nur für Bedürftige, sondern für alle Familien in München und beteiligten Landkreisen gibt es den Münchner Familienpass, der sechs Euro kostet. Finanziert wird der Pass, den sich im letzten Jahr mehr als 11000 Familien holten, von Sponsoren und der Stadt. Dank der Unterstützung durch den ‘Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung’ konnten knapp 2700 bedürftige Familien die Pässe kostenlos erhalten.

Auf eine Initiative des SZ-Adventskalenders geht der kostenlose Mittagstisch in Schulen zurück. Die vor drei Jahren gestartete Aktion SZ-Schülerlunch sicherte aus Spenden und Erbschaftsgeldern bedürftigen Kindern die Teilnahme an dem gemeinsamen Mittagessen: Denn die Kosten dafür – zumeist drei bis vier Euro pro Mahlzeit – sind durch den Kinderregelsatz mitnichten abgedeckt. Seit letztem Jahr sind auch der Freistaat und die Stadt mit dabei. Sie tragen freiwillig je ein Drittel der Kosten, der Rest kommt vom Adventskalender. Im letzten Jahr startete der SZ-Adventskalender zusammen mit der Stadt die Aktion ‘Sport für alle Kinder’, die bei bedürftigen Familien die Mitgliedsbeiträge für den Sportverein übernimmt.

Quelle: sueddeutsche.de – 06.09.2010
Link zum Pressebericht: www .sueddeutsche.de/e5338X/3562601/Zum-Erleben-zu-wenig.html

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Umfrage: ALG II Empfänger loben Jobcenter

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) ist einer repräsentativen Umfrage unter 70.000 Beziehern des ALG II zufolge besser als ihr Ruf. Nach Auskunft der BA wurde die Befragung von einem externen Dienstleister durchgeführt.

Danach bewertete jeder zweite Teilnehmer die Unterstützung bei Beratung und Vermittlung als sehr gut oder gut. Lediglich sieben Prozent der Befragten vergaben in diesem Zusammenhang die Note fünf
oder sechs.

Auch das Verhalten der Jobcenter-Mitarbeiter wird von den Umfrageteilnehmern angepriesen. So benoteten angeblich 75 Prozent aller Befragten deren Freundlichkeit mit sehr gut oder gut. “Ich freue mich natürlich, dass die Jobcenter und insbesondere die Kollegen in den Jobcentern so positiv bewertet werden”, erklärte BA-Vostandsmitglied Heinrich Alt. Allerdings würden die Ergebnisse
auch Schwachstellen und Unterschiede zwischen den Jobcentern deutlich machen.

“Wir nehmen die Ergebnisse sehr ernst und setzen uns gemeinsam mit den lokalen Jobcentern intensiv mit ihnen auseinander“, fügte Alt hinzu.

Quelle: sozialleistungen.info – 01.09.2010
Link zum Pressebericht: www .sozialleistungen.info/news/01.09.2010-umfrage-alg-ii-empfaenger-loben-jobcenter/

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Mehr als 100 Fälle von Mietbetrug mit Hartz-IV-Beziehern

llegale Wohnungen vermehrt an Arbeitslose vermietet – Immobilienunternehmer und CDU-Politiker Kuhlmann im Visier

In Hamburg häufen sich die Fälle von Mietbetrug, bei denen heruntergekommene Wohnungen oder sogar Keller- und Lagerräume, die nicht zum Bewohnen zugelassen sind, an Hartz-IV-Empfänger vermietet werden. Die Räume werden oft von ehemals Obdachlosen oder Drogenabhängigen bewohnt, die sich selbst nicht bei den Behörden melden. Die Mieten werden aber vom Hartz-IV-Träger team.arbeit-hamburg und damit mit Steuergeld bezahlt. Von mehr als 100 Fällen solcher betrügerischen Vermietungen spricht team.arbeit.

Die aktuelle Diskussion entzündet sich an einem neuen Fall, der jetzt bekannt wurde. Der Hamburger Immobilienunternehmer Thorsten Kuhlmann, der schon im Februar wegen heruntergekommener Wohnungen in die Schlagzeilen geriet, soll jetzt Kellerräume illegal als Wohnungen vermietet haben. Das Bezirksamt Mitte bestätigte einen entsprechenden Bericht der Obdachlosenzeitung “Hinz&Kunzt”. Auch hier wurden die Mieten von team.arbeit übernommen.

Die Kellerräume in einem Haus in Horn hatten dem Bericht zufolge keine Fenster oder solche mit dicken Gitterstäben. Auch sollen Fluchtwege gefehlt haben. Bezirkssprecher Lars Schmidt erklärte, dass diese Räume gar kein Wohnraum seien. Deshalb müsste der Bezirk die Mitarbeiter der Bauprüfung einsetzen. Wenn die Mängel nicht beseitigt würden, könnte der Bezirk eine Nutzungsuntersagung anordnen, die bei Gefahr für Leib und Leben auch sofort vollzogen werden könnte.

Kuhlmann habe dem Bezirk gegenüber aber angekündigt, die Räume wohngerecht umzubauen. Entsprechende Anträge lägen aber bisher nicht vor – der Bezirk hat dem Vermieter jetzt bis Mitte des Monats eine letzte Frist gesetzt. Andernfalls werde man die Nutzung der Räume untersagen, so Schmidt. Ein weiterer Fall soll sich in einem Wohnhaus in Wilhelmsburg abgespielt haben, dort versicherte Kuhlmann aber laut Bezirk, dass in den fraglichen Räumen niemand wohne.

Meist werde der Bezirk erst durch Medienberichte auf solche Fälle aufmerksam, ergänzte Schmidt. Die Betroffenen selbst meldeten sich nicht, aus Furcht, ihre Wohnung zu verlieren – selbst wenn es sich dabei nur um einen Kelleraum handle.

Die Dramatik der Fälle liegt eben auch darin, dass der Bezirk die illegalen Wohnungen nicht ohne Einverständnis der Mieter oder des Vermieters besichtigen kann. Doch auch die Arbeitsgemeinschaft team.arbeit kann den Wohnraum nicht überprüfen. Sie zahle zwar die Miete, könne aber nicht alle Wohnungen selbst in Augenschein nehmen, wie Sprecher Horst Weise erklärt. Das Gesetz sehe vor, dass sich die Leistungsbezieher selbst eine Wohnung suchen. Mehr als 100 000 Wohnungen in der Hansestadt würden von Leistungsbeziehern des Sozialgesetzbuches bewohnt. “Der Zustand der Wohnungen liegt aber einzig in der Hand des Bezirks”, betont Weise. Bei dem Fall in Wandsbek habe man den Mietern schnell Ersatzwohnraum beschaffen können, bei dem neuen Fall sei dieses aber nicht so einfach möglich. “Wir sind nun einmal keine Wohnraumvermittlung”, sagt Weise.

Nachdem aber mit dem Vermieter keine gütliche Einigung mehr möglich zu sein scheint, bereitet jetzt der Anwalt von team.arbeit.hamburg Klagen gegen Kuhlmann wegen Mietbetruges vor. Neben der zivilrechtlichen Klage laufen auch strafrechtliche Ermittlungen gegen den CDU-Politiker, so team.arbeit.

Schon im Februar sorgte ein Fall in Wandsbek für Schlagzeilen: In einem heruntergekommenen Mietshaus wurden Wohnungen an Hartz-IV-Empfänger vermietet, für die ebenfalls die Arbeitsgemeinschaft aufkam. “Es ist beschämend, dass auf solche Art und Weise die Wohnungsknappheit in Hamburg ausgenutzt wird”, sagte Bezirkschef Markus Schreiber (SPD) der WELT. “Schnellere rechtliche Möglichkeiten wären wünschenswert.”

Kuhlmannn war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Der Immobilienunternehmer ist Hamburger CDU-Mitglied. In Osdorf war er stellvertretender Ortsvorsitzender und Deputierter – bis er im Februar von seinen Ämtern zurücktrat. Sein Ortsvorsitzender, der Bürgerschaftsabgeordnete Robert Heinmann, distanziert sich deutlich: “Ich sehe das mit großer Besorgnis. Es darf nicht sein, dass jemand sich auf eine solche Weise bereichern kann.” In der Partei habe Kuhlmann stets das Bild eines vernünftigen, bodenständigen Mannes abgegeben. Aber eines sei sicher: “Die Partei wird ihn nicht mehr für ein Amt aufstellen.”

Quelle: welt.de – 08.09.10 – Von Florian Hanauer
Link zum Pressebericht: www .welt.de/die-welt/regionales/hamburg/article9471734/Mehr-als-100-Faelle-von-Mietbetrug-mit-Hartz-IV-Beziehern.html

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